Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 206
Die Frage, ob sich der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nur auf den Bodenwert oder auf die gesamte wirtschaftliche Einheit zu bewertenden Grundstücks zu beziehen hat, ist in Abhängigkeit vom Bewertungsstichtag unterschiedlich zu beurteilen. Mit der Einführung der Bedarfsbewertung war davon auszugehen, dass sich die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts nur auf den Bodenwert bezieht. Anders als bei der Bewertung der unbebauten Grundstücke und bei einer Bewertung der bebauten Grundstücke im Ertragswertverfahren enthielt § 147 BewG keine eigene Öffnungsklausel. Somit konnte in den Fällen des Bilanzwertverfahrens nach dem Wortlaut des § 147 Abs. 2 BewG nur über den dort enthaltenen Verweis auf § 145 Abs. 3 BewG und damit auf die Öffnungsklausel für unbebaute Grundstücke zumindest die Zulässigkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts für den Bodenwert hergeleitet werden. Der Nachweis für die gesamte wirtschaftliche Einheit war nach dem Wortlaut des § 147 BewG ausgeschlossen.
Rz. 207
Mit dem Jahressteuergesetz 2007 änderte sich dies, weil für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2006 eine alle Bewertungsverfahren erfassende Öffnungsklausel in § 138 Abs. 4 BewG geschaffen wurde. Danach ist der durch den Steuerpflichtigen nachgewiesene niedrigere gemeine Wert als Grundbesitzwert der "wirtschaftlichen Einheit" festzustellen. Durch den ausdrücklichen Bezug des § 138 Abs. 4 BewG auf den Begriff der wirtschaftlichen Einheit geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der Steuerzahler einen isolierten Nachweis des niedrigeren Bodenwerts nicht mehr erbringen kann. Sofern der Steuerzahler die Öffnungsklausel nutzt, muss er ein Gutachten vorlegen, das sich auf die gesamte wirtschaftliche Einheit des bebauten Grundstücks bezieht.
Rz. 208
Wegen weiterer Einzelheiten zum Nachweis durch ein Sachverständigengutachten vgl. die Erläuterungen zu § 138 und § 198 BewG.
Rz. 209
Sofern der Steuerpflichtige von der Möglichkeit des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts Gebrauch macht, muss er sich darüber im Klaren sein, dass die mit der Erstellung des Gutachtens verbundenen Kosten von ihm zu tragen sind. Ein solches Gutachten lohnt sich für ihn somit nur in den Fällen, in denen die durch das Gutachten erreichbare Steuerersparnis über die Gutachtenkosten hinausgeht. Zu einer erheblichen Wertminderung, die sich regelmäßig nicht in dem für das Finanzamt maßgebenden Bodenrichtwert niederschlägt, dürfte es in den Fällen kommen, in denen das Grundstück mit Altlasten belastet ist oder in denen ältere Fabrikgebäude, die nicht mehr den neuzeitlichen Anforderungen an einen ökonomischen Produktionsablauf entsprechen, abgebrochen werden müssen. Auch bei einem stark rückläufigen Grundstücksmarkt kann es sinnvoll sein, einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass kraft gesetzlicher Bestimmung bei Bewertungsstichtagen vor dem 1.1.2007 stets der Bodenrichtwert zum 1.1.1996 anzusetzen war. Erst mit dem Jahressteuergesetz 2007 wurde die Maßgeblichkeit des Bodenrichtwerts eingeführt, der vor dem Bewertungsstichtag zuletzt zu ermitteln war. Die Maßgeblichkeit der aktuellen Wertverhältnisse ist zu begrüßen, weil die Steuerzahler in der Praxis stets Gutachten beauftragen mussten, wenn die Entwicklung der Bodenrichtwerte vor Ort rückläufig war.
Rz. 210
Einstweilen frei.
Rz. 211
Die Erstellung eines Gutachtens dürfte auch dann erforderlich sein, wenn das Finanzamt bei der Ermittlung des Bodenwerts von Industriegrundstücken einen degressiven Verlauf des Bodenrichtwerts, abhängig von der Grundstücksgröße, nicht akzeptiert. Um sich hier die Abschläge, die in Ausnahmefällen über 50 % hinausgehen, durchzusetzen, ist i.A. die Einzelfallbetrachtung des Gutachters unverzichtbar.
Rz. 212
Bei Krankenhäusern, die i.d.R. nach § 147 BewG zu bewerten sind, ist der Wert des Grund und Bodens aus dem Bodenrichtwert abzuleiten. Fördermittel, die auf Grund und Boden entfallen, sind dort nicht als Wertminderung abzuziehen. Die Beschränkungen aufgrund des Krankenhausfinanzierungsgesetzes sind, so H 179 ErbStH 2003, als persönliche Verhältnisse bei der Bewertung außer Ansatz zu lassen. Mit Erlass des Bay. Staatsministeriums der Finanzen v. 11.9.1997 wird in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit hingewiesen, einen niedrigeren Verkehrswert durch ein Gutachten eines Sachverständigen oder des örtlichen Gutachterausschusses oder durch einen stichtagsnahen Kaufpreis nachzuweisen (§ 145 Abs. 3 Satz 3 BewG). Allerdings dürften auch bei einem Gutachternachweis die Beschränkungen nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz als persönliche Verhältnisse (§ 9 BewG) unberücksichtigt bleiben, so dass ein erfolgreicher Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts fraglich erscheint. Für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2006 gilt dies umso mehr, weil sich die Öffnungsklause...