Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 78
Im Allgemeinen teilen Anbauten bei der Bestimmung der Restnutzungsdauer auf Grund ihrer Bauart oder Nutzung das Schicksal des Hauptgebäudes. Das bedeutet, dass beispielsweise eine nachträglich an ein Einfamilienhaus angebaute Garage wirtschaftlich keine längere Lebensdauer als das Einfamilienhaus hat. Das gilt erst recht für einen Wintergarten oder einen vergleichbaren Erweiterungsanbau. Denn bei einem wirtschaftlichen Verbrauch der Hauptsache, also des Einfamilienhauses, endet auch die Nutzungsmöglichkeit für die Anbauten.
Rz. 79
Andererseits kann ein Erweiterungsbau je nach Größe, Bauart oder Nutzung als Gebäudeteil anzusehen sein, der über eine gewisse Selbstständigkeit verfügt und deshalb auch eine andere Restnutzungsdauer als das Hauptgebäude aufweist. In diesen Fällen sind die Regelungen zur gewogenen und gewichteten Restnutzungsdauer entsprechend anzuwenden.
Rz. 80
Beispiel Erweiterungsbau
Das mit einem 19 Jahre alten Verwaltungsgebäude (Nutzfläche 1 000 m[2]) bebaute Grundstück wurde vor zwei Jahren um ein weiteres Gebäude (Nutzfläche 800 m[2]) erweitert, in dem die Bibliothek untergebracht ist. Bautechnisch sind beide Gebäude voneinander unabhängig und lediglich durch einen Leichtbau miteinander verbunden. Die Roherträge können bei den vorliegenden Gebäuden nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand den einzelnen Gebäudeteilen zugeordnet werden.
Entgegen der allgemeinen Aussage in R B 185.4 Abs. 5 Satz 1 ErbStR 2019 teilt hier der Anbau hinsichtlich der Restnutzungsdauer nicht das Schicksal des Hauptgebäudes. Vielmehr ist nach R B 185.4 Abs. 5 Satz 2 ErbStR 2019 von einer gewichteten Restnutzungsdauer auszugehen. Diese berechnet sich wie folgt:
Verwaltungsgebäude: |
wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer (Anlage 22 BewG) |
= 60 Jahre |
abzüglich Alter am Bewertungsstichtag |
– 19 Jahre |
Restnutzungsdauer |
= 41 Jahre |
Anbau Bibliothek: |
wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer (Anlage 22 BewG) |
= 60 Jahre |
abzüglich Alter am Bewertungsstichtag |
– 2 Jahre |
Restnutzungsdauer |
= 58 Jahre |
Die Mindest-Restnutzungsdauer von 30 % nach § 185 Abs. 3 Satz 5 BewG jeweils überschritten und daher nicht zu berücksichtigen.
Rz. 81
Bei Aufstockungen ist im Allgemeinen das Baujahr der unteren Geschosse zu Grunde zu legen, denn die Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes hängt auch bei einer Aufstockung unverändert von der Restnutzungsdauer des untersten Geschosses ab. Allerdings fhat der Gesetzgeber nicht auf die technische, sondern mit § 185 Abs. 3 BewG auf die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer abgestellt. Somit dürfte es in der Praxis wahrscheinlich sein, dass bei einer Aufstockung auch die für die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer maßgebenden Merkmale verbessert worden sind und damit häufig von einer Verlängerung der Restnutzungsdauer auszugehen ist. Deshalb wird bei Aufstockungen regelmäßig zu prüfen sein, ob sich nach dem von der Finanzverwaltung eingeführten Punktesystem (vgl. Rz. 51) eine Verlängerung der Restnutzungsdauer ergibt.
Rz. 82– 83
Einstweilen frei.