Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 50
Es ist zwischen der Definition des Begriffs des bebauten Grundstücks und der Bewertung bebauter Grundstücke zu unterscheiden. Der Begriff des bebauten Grundstücks entscheidet über die Frage, was dem Grunde nach zu besteuern ist. Bei der Frage der Bewertung wird über die Höhe der Besteuerung entschieden.
Rz. 51
Deshalb müssen bei der Bewertung bebauter Grundstücke die entsprechenden Preisbildungsmechanismen am Grundstücksmarkt berücksichtigt werden, die sich nach der Art und dem Umfang der Bebauung bestimmen. Aus diesem Grund wird bei der Bewertung des Grundvermögens – wie bisher – zunächst eine Einteilung der unterschiedlichen Grundstücksarten vorgenommen.
Rz. 52
Nach der Gesetzesbegründung soll als vorrangige Bewertungsmethode für Zwecke der Grundsteuer als Sollertragsteuer ein vereinfachtes Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen. Nur wenn die Anwendung des Ertragswertverfahrens nicht in Betracht komme, erfolge eine Bewertung anhand eines vereinfachten Sachwertverfahrens als Auffangverfahren. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist dieser in sich schlüssige Gedanke verloren gegangen, weil der Gesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Miete zugunsten einer gesetzlich vorgegebenen "Listenmiete" verzichtet hat.
Rz. 53
Grundsätzlich liegt der Ertragswertmethodik der Gedanke zugrunde, dass sich der objektiviert-reale Wert eines Grundstücks – ähnlich wie beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen – aus seinem nachhaltig erzielbaren Reinertrag ermitteln lässt. Deshalb ist innerhalb des Ertragswertverfahrens der auf den Bewertungsstichtag bezogene Barwert (Gegenwartswert) aller zukünftigen Erträge zu ermitteln. Hierbei ist zu betonen, dass die Lebensdauer (Nutzungsdauer) eines Gebäudes – im Gegensatz zum Grund und Boden – begrenzt ist. Es lassen sich zwar die Erträge oder Ertragsanteile für ein Gebäude für die am Bewertungsstichtag verbleibende und begrenzte Nutzungsdauer (Restnutzungsdauer) des Gebäudes kapitalisieren. Jedoch sind die dem Grund und Boden zuzurechnenden Erträge bzw. Ertragsanteile für eine unbegrenzte Nutzungsdauer als "ewige Rente" zu kapitalisieren. Denn der Wert des Grund und Bodens ist grundsätzlich eine stete Größe, die nur allgemeinen Wertschwankungen unterworfen ist.
Rz. 54
Bei der Grundsteuerbewertung wird diesen Grundsätzen im vereinfachten Ertragswertverfahren Rechnung getragen, indem der Ertragswert am Bewertungsstichtag aus dem
- über die Restnutzungsdauer des Gebäudes kapitalisierten jährlichen Reinertrag des Grundstücks (Erträge aus Grund und Boden sowie Gebäude) zuzüglich des
- über die Restnutzungsdauer des Gebäudes abgezinsten Bodenwerts
ermittelt wird.
Rz. 55
Diese Methode des vereinfachten Ertragswertverfahrens ist bei der steuerlichen Bewertung neu. Dabei wird berücksichtigt, dass in den Mieten bereits eine Abgeltung des Werts des Grund und Bodens für den Zeitraum der typisierend angenommenen Restnutzungsdauer enthalten ist und nach Ablauf der Restnutzungsdauer des Gebäudes der Wert des Grund und Bodens verbleibt. Der jährliche Reinertrag des Grundstücks wird daher in Abhängigkeit der Restnutzungsdauer des Gebäudes kapitalisiert. Der aktuelle Wert des Grund und Bodens wird dagegen in Abhängigkeit der Restnutzungsdauer des Gebäudes auf den Bewertungsstichtag abgezinst.
Rz. 56
Dabei wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Sollertrag in Form einer Nettokaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks typisierend angenommen. Dieses Vorgehen soll nach der Gesetzesbegründung in den meisten Fällen eine weitestgehend automatisierte Feststellung von Grundsteuerwerten sowie zukünftig bei gleichbleibenden tatsächlichen Verhältnissen eine vorausgefüllte Steuererklärung ermöglichen. In der Praxis wird die "weitestgehend" automatisierte Feststellung der Grundsteuerwerte nicht so weit gehen, dass die Steuerzahler auf eine – allerdings nicht komplexe – Feststellungserklärung verzichten könnten. Möglicherweise wird das bei einem zweiten Hauptfeststellungszeitpunkt realisiert werden können.
Rz. 57
Soweit in der Gesetzesbegründung betont wird, dass den unterschiedlichen Ausprägungen einzelner Grundstücksarten insbesondere durch spezifische Bewirtschaftungskosten und Liegenschaftszinssätze folgerichtig Rechnung getragen wird, darf nicht übersehen werden, dass auf Drängen der Länder über den Bundesrat auf die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Mieten verzichtet und stattdessen die typisierende Berücksichtigung eines durchschnittlichen Sollertrags in Form einer Nettokaltmiete je Quadratmeter realisiert wurde. Dabei ergibt sich überraschenderweise, dass die Mieten in einem Mietwohngrundstück teilweise über den Mieten für Einfamilienhäusern liegen. Die in Anlage 39 zu § 254 BewG ausgewiesenen Listenmieten dürften zweifellos auf einer soliden statist...