Rz. 45
Nach § 178 Abs. 2 Satz 2 BewG gelten auch Grundstücke als nicht mehr benutzbar und damit als unbebaut, auf denen infolge von Zerstörung oder Verfall des Gebäudes keine auf Dauer benutzbaren Räume mehr vorhanden sind. Es handelt sich hierbei um einen eigenen, von § 178 Abs. 2 Satz 1 BewG unabhängigen Tatbestand. Dieser entspricht wörtlich dem § 72 Abs. 3 BewG sowie dem § 145 Abs. 2 Satz 2 BewG.
Rz. 46
Ein Gebäude ist zerstört, wenn – z.B. infolge eines Brands oder einer Flutkatastrophe – keine auf Dauer benutzbaren Räume mehr vorhanden sind. In der Folge stellt das Grundstück am Bewertungsstichtag ein unbebautes Grundstück dar, das nach § 179 BewG zu bewerten ist. Eine Entkernung des Gebäudes führt nicht zu seiner Zerstörung, gleichwohl gilt das Grundstück als unbebaut, da kein benutzbarer Raum vorhanden ist (vgl. dazu Rz. 40).
Rz. 47
Ein Gebäude ist dem Verfall preisgegeben, wenn der Verfall bzw. Abnutzungsprozess so weit fortgeschritten ist, dass das Gebäude nach objektiven Verhältnissen auf Dauer nicht mehr benutzt werden kann. Dabei müssen die Verfallsmerkmale an der Bausubstanz erkennbar sein und das gesamte Gebäude betreffen. Die Finanzverwaltung wird zutreffend von einem Verfall ausgehen, wenn erhebliche Schäden an konstruktiven Teilen des Gebäudes eingetreten sind und ein Zustand gegeben ist, der aus bauordnungsrechtlicher Sicht die sofortige Räumung nach sich ziehen würde. Das wird stets der Fall sein, wenn eine Anordnung der Bauaufsichtsbehörde zur sofortigen Räumung des Grundstücks vorliegt. Hierbei ist jedoch zugleich auch zu prüfen, ob der Zustand von Dauer ist.
Rz. 48
Die Bausubstanz des Gebäudes kann z.B. durch ein Hochwasser beeinträchtigt sein, wenn dadurch die Statik bzw. Standfestigkeit dauerhaft erschüttert ist oder wenn z.B. Feuchtigkeit wegen fehlender Isolierung des Mauerwerks oder wegen Beschädigung der Dachhaut zu Schwamm-, Schimmel- und Pilzbefall und damit zu Gesundheitsgefahren führt.
Rz. 49
Behebbare Baumängel und Bauschäden sowie ein aufgestauter Reparaturbedarf infolge von unterlassenen Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten wirken sich regelmäßig nur vorübergehend auf Art und Umfang der Gebäudenutzung aus und betreffen nicht unmittelbar die Konstruktion des Gebäudes. Sie führen deshalb nicht dazu, dass ein Gebäude als dem Verfall preisgegeben angesehen werden kann. Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn die Baumängel so erheblich sind, dass sie als gesundheitsgefährdend eingestuft werden und eine Benutzung des Gebäudes nicht mehr gestattet ist. Denkbar sind hier z.B. stark PCB- oder asbestverseuchte Gebäude. In diesen Fällen dürfte regelmäßig bis zur Beseitigung der Belastung und der Wiederherstellung der zulässigen Benutzung ein unbebautes Grundstück vorliegen.
Rz. 50
Ein Grundstück, auf dem sich ein oder mehrere leerstehende Gebäude befinden, ist nicht allein deshalb als unbebautes Grundstück zu bewerten, weil am Bewertungsstichtag eine Nutzung aus einem formalen Grund (z.B. bei fehlender Genehmigung) oder aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht zulässig gewesen wäre. Dabei ist dem Umstand, dass der Raum tatsächlich benutzt wird, für die Frage der Benutzbarkeit grds. keine Bedeutung beizumessen.
Rz. 51
Vgl. ergänzend auch die Kommentierung zu § 72 Abs. 3 BewG, Rz. 71–83 und § 145 Abs. 2 Satz 2 BewG, Rz. 28–33.