Rz. 100
Die Feststellung der Bedarfswerte unterliegt, wie jede gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, der Feststellungsverjährung. Die Wertfeststellungserklärungen sind Steuererklärungen i.S.d. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO (§ 153 Abs. 5 BewG i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 2 AO); d.h.: Wurde eine solche Erklärung – durch das zuständige Feststellungsfinanzamt – angefordert und dadurch die potenzielle Erklärungspflicht konkretisiert (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO), beginnt die Feststellungsfrist spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs nach dem Steuerentstehungszeitpunkt (Anlaufhemmung).
Rz. 101
Nach Ablauf der Feststellungsfrist darf eine Bedarfsbewertung grundsätzlich nicht mehr vorgenommen werden, es sei denn, die Festsetzungsfrist ist noch offen (§ 153 Abs. 5 BewG i.V.m. § 181 Abs. 5 AO). Dies hat zur Folge, dass Erbschaft- und Schenkungsteueransprüche der partiellen Verjährung unterliegen können, soweit sie auf gesondert zu bewertendes Vermögen entfallen.
Rz. 102
Entscheidend für den Beginn der Erklärungspflicht ist die rechtswirksame Bekanntgabe jeder einzelnen Aufforderung. Bekanntgabemängel – insb. hinsichtlich des Inhaltsadressaten, aber auch im Hinblick auf die inhaltliche Bestimmtheit (§ 125 Abs. 1 AO) – können dazu führen, dass ein späterer Feststellungsbescheid schon nach Eintritt der Feststellungsverjährung ergangen ist. Die festgestellten Werte dürfen damit steuerlich nicht mehr erfasst werden. Auch zuvor per Schätzung ergangene Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide sind dann zu korrigieren.
Rz. 103
Die Aufforderung zur Abgabe einer Feststellungserklärung erfolgt nur gegenüber dem/n jeweiligen Inhaltsadressaten (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie schiebt deshalb beim Erwerb von Todes wegen durch mehrere Erwerber und bei Schenkungen den Beginn der Feststellungsfrist lediglich für den/die Steuerschuldner hinaus, dem/denen sie rechtswirksam bekannt gegeben wurde (s. § 31 ErbStG Rz. 7, 8; zur Aufforderung eines Testamentsvollstreckers s. § 31 ErbStG Rz. 19).
Rz. 104
Der vorzeitige Beginn der Feststellungsfrist setzt die Abgabe einer rechtswirksamen Feststellungserklärung voraus (§§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 153 Abs. 5 BewG). Sie muss – im Gegensatz zur Erbschaft- oder Schenkungsteuererklärung (§ 31 ErbStG) – insb. eigenhändig unterschrieben sein (§ 153 Abs. 4 Satz 1 BewG; zur elektronischen Abgabe s. Rz. 82).
Rz. 105
Keine anlaufhemmende Wirkung hat eine Feststellungserklärung, die ohne Aufforderung der zuständigen Behörde abgegeben wird. Wer nicht aufgefordert wurde, ist nicht nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erklärungspflichtig. Im Übrigen geht auch der in § 181 Abs. 1 Satz 3 AO i.V.m. § 153 Abs. 5 BewG enthaltene Verweis auf die sinngemäße Anwendung des § 170 Abs. 3 AO ins Leere; ausdrücklich betroffen sind nur gesonderte Feststellungen, die in der zu § 180 Abs. 2 AO ergangenen Rechtsverordnung geregelt sind. Der Gesetzgeber hat sich mit §§ 151 ff. BewG jedoch für ein gesetzlich bestimmtes Bedarfsbewertungsverfahren entschieden. Dass § 153 Abs. 5 BewG zwar die entsprechende Anwendung des § 181 Abs. 1 AO anordnet, Satz 3 dieser Norm aber zusätzliche, hier nicht einschlägige Voraussetzungen enthält, ist daher hinzunehmen.
Rz. 106
Die Anlaufhemmung der Feststellungsfrist endet regelmäßig nicht vor dem Beginn der Festsetzungsfrist. Denn erst wenn das Besteuerungsfinanzamt Kenntnis von dem bewertungsbedürftigen Erwerb erlangt, kann es ein entsprechendes Bewertungsverfahren veranlassen. Gerade deshalb kann die Feststellungsfrist aber ausnahmsweise auch früher beginnen und damit konsequent vor Ablauf der Festsetzungsfrist enden. Denkbar ist dies z.B., wenn bei wertmäßig strittigen Gegen-/Leistungen die Feststellungsbehörde durch ein letztlich unzuständiges Finanzamt beauftragt wurde oder im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG bei unterschiedlichen Wohn- und/oder Geschäftssitzen der beteiligten Schenker und Erwerber (s. § 35 ErbStG Rz. 23). Beginnt die Festsetzungsfrist in solchen Fällen mit ggf. extremer Verzögerung (§ 170 Abs. 5 Nr. 2 AO), wären notwendige Bedarfswertfeststellungen auch noch nach Eintritt der Feststellungsverjährung erlaubt (§ 181 Abs. 5 AO i.V.m. § 153 Abs. 5 BewG).