Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 107
Wird ein Industriegrundstück eigengenutzt und lässt sich für dieses Grundstück keine übliche Miete finden, ist die Grundstücksbewertung nach § 147 BewG durchzuführen. Wird ein solches Grundstück umgebaut und dort durch die Baumaßnahme ein Gebäude geschaffen, das nach Abschluss der Bauarbeiten im Ertragswertverfahren zu bewerten ist, erfolgt die Grundstücksbewertung nach den Grundsätzen des § 149 Abs. 2 BewG. Ein solcher Fall dürfte in der Praxis z.B. dann auftreten, wenn aus einem Produktionsgebäude durch Umbauarbeiten, ggf. durch Erweiterung des Gebäudes, ein hallenartiges Gebäude geschaffen wird, für das sich nach Beendigung der Baumaßnahme eine übliche Miete auf dem regionalen Grundstücksmarkt ermitteln lässt. Diese Bewertungsproblematik dürfte auch bei den Grundstücken auftreten, deren Grundstückswert vor Beginn der Baumaßnahme nach § 147 BewG ermittelt und die nach Beendigung der Baumaßnahme wegen der Vermietung an Dritte im Ertragswertverfahren bewertet werden.
Rz. 108
Für die Ertragsbewertung nach § 149 Abs. 2 BewG wird der Wert des Grund und Bodens und der bis zum Besteuerungszeitpunkt geschaffene Gebäudewert benötigt. Der ertragsteuerliche Wertansatz des Gebäudes vor Beginn der Baumaßnahme, der für die Bewertung nach § 147 BewG maßgebend ist, hat hier keine Bedeutung.
Rz. 109
Der Wert des Grund und Bodens ist mit 80 % des ggf. korrigierten Bodenrichtwerts und der Grundstücksfläche anzusetzen (§ 145 Abs. 3 BewG).
Rz. 110
Der Gebäudewert ist aus dem Grundstückswert nach Durchführung der Baumaßnahme abzuleiten. Dieser Grundstückswert errechnet sich nach § 149 Abs. 2 Satz 1 BewG unter Ansatz der üblichen Miete, die nach Bezugsfertigkeit des Gebäudes zu erzielen wäre. Wird ein bisher eigengenutztes Industriegrundstück nach Durchführung der Baumaßnahme vermietet, so dass die Bewertung im Ertragswertverfahren zu erfolgen hat, ist die tatsächlich vereinbarte Miete i.d.R. als übliche Miete i.S.d. § 149 Abs. 2 Satz 1 BewG anzusehen.
Rz. 111
Der Grundstückswert im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit ist um den Bodenwert zu kürzen; hierfür sind 20 % des Grundstückswerts anzusetzen; es verbleibt der Gebäudewert im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit. Unter Berücksichtigung des Fertigstellungsgrads ist aus diesem Gebäudewert die bis zum Besteuerungszeitpunkt geschaffene Bausubstanz zu ermitteln. Der Fertigstellungsgrad errechnet sich aus den Herstellungskosten bis zum Besteuerungszeitpunkt zu den gesamten Herstellungskosten. In die Herstellungskosten fließt auch die vor Beginn der Baumaßnahme noch vorhandene Altbausubstanz ein; sie ist mit dem gemeinen Wert und nicht mit dem ertragsteuerlichen Wert – bei Bilanzierenden also nicht mit dem Buchwert – anzusetzen.
Rz. 112
Der Wert des Grund und Bodens und die nach Rz. 111 ermittelte Bausubstanz im Besteuerungszeitpunkt darf nicht höher sein als der Wert des Grundstücks, der sich nach Bezugsfertigkeit bei einer Bewertung im Ertragswertverfahren ergeben würde (§ 149 Abs. 2 Satz 4 BewG).
Beispiel
Auf einem Grundstück von der Grölte von 2.000 m2 ist ein Produktionsgebäude errichtet. Das Produktionsgebäude wird zu einer Lagerhalle umgebaut. Mit den Bauarbeiten ist Anfang 2007 begonnen worden; sie werden Ende 2008 abgeschlossen. Am 5.1.2008 ist der bisherige Grundstückseigentümer verstorben. Für das Grundstück ergibt sich aus der Bodenrichtwertkarte ein Bodenrichtwert von 60 EUR/m2. Im Besteuerungszeitpunkt sind für das Produktionsgebäude noch Herstellungskosten (= Restbuchwert) i.H.v. 100.000 EUR ausgewiesen. Der gemeine Wert der Altbausubstanz beträgt vor Beginn der Baumaßnahme 400.000 EUR. Im Zusammenhang mit dem Umbau sind Abbruchkosten von 50.000 EUR angefallen. Im Übrigen belaufen sich die vom Erblasser getragenen Herstellungskosten bis zum Besteuerungszeitpunkt auf 600 000 EUR; die gesamten Herstellungskosten betragen 1.000.000 EUR. Für die Lagerhalle ergibt sich nach Durchführung der Baumaßnahme eine übliche Miete von 80.000 EUR.
Nach § 149 Abs. 2 BewG setzt sich der Grundstückswert für die im Bau befindliche Lagerhalle einschließlich Grund und Boden zusammen aus
Wert des Grund und Bodens 2.000 m2 × 60 EUR/m2 × 80 % = |
96.000 EUR |
Gebäudewert im Besteuerungszeitpunkt übliche Miete (80 000 EUR) × 12,5 = |
1.000.000 EUR |
Bodenwert (20 % von 1.000.000 EUR) |
– 200.000 EUR |
Gebäudewert |
800.000 EUR |
Fertigstellungsgrad |
|
Gebäudewertanteil im Besteuerungszeitpunkt (71,43 % von 800.000 EUR) |
571.440 EUR |
Grundstückswert (96.000 EUR + 571.440 EUR) |
667.440 EUR |
Bei der Ermittlung des Fertigstellungsgrads ist die vor Beginn der Baumaßnahme vorhandene Altbausubstanz mit dem gemeinen Wert zu berücksichtigen; die Abbruchkosten bleiben nach Auffassung der Finanzverwaltung außer Ansatz. Somit erhöhen sich sowohl die Herstellungskosten bis zum Besteuerungszeitpunkt als auch die gesamten Herstellungskosten um jeweils 400.000 EUR. Der Restbuchwert der Altbausubstanz i.H.v. 100.000 EUR hat für die Wertfindung keine Bedeu...