Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 116
Bei der Einheitsbewertung 1964 kommt es für die Anwendung des Sachwertverfahrens bei Geschäftsgrundstücken darauf an, dass für diese Gruppe von Geschäftsgrundstücken weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche geschätzt werden konnte (§ 76 Abs. 3 Nr. 2 1. Alt. BewG).
Rz. 117
Eine Bewertung im Ertragswertverfahren ist bei der Einheitsbewertung nur dann durchzuführen, wenn aus einer repräsentativen Zahl vermieteter Geschäftsgrundstücke gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung eine Miete nach den Verhältnissen vom 1.1.1964 abgeleitet werden konnte. Die Vermietungsfälle mussten über das Bundesgebiet so verteilt sein, dass es jedem Finanzamt möglich ist, die Bewertung nach dem Ertragswertverfahren durchzuführen. Ansonsten ist davon auszugehen, dass diese Gruppe von Geschäftsgrundstücken bei der Bestimmung des Vervielfältigers nicht berücksichtigt worden ist. Durch das Abstellen auf die Vermietung im gesamten Bundesgebiet sollte auch ein Wechsel der Bewertungsmethode von Finanzamtsbezirk zu Finanzamtsbezirk mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ausgeschlossen werden. Dies hat dazu geführt, dass in Abschn. 16 Abs. 6 und 7 BewRGr die Gruppen von Geschäftsgrundstücken genannt sind, die stets im Sachwertverfahren zu bewerten sind.
Rz. 118
Bei der ab 1996 geltenden Bedarfsbewertung von Grundstücken ist die Argumentation für eine bundesweit flächendeckend vorhandene übliche Miete nicht übernommen worden. Die Bewertung basiert bei Durchführung des Ertragswertverfahrens auf dem Vervielfältiger von 12,5, der vom Gesetzgeber rein rechnerisch durch Rückgriff auf den Jahreszins festverzinslicher Anleihen und der Berücksichtigung bestimmter Abschläge ermittelt worden ist. Die einzelnen Grundstücksgruppen mit ihren Besonderheiten, vor allem hinsichtlich des Liegenschaftszinssatzes sowie der Instandhaltungs- und Verwaltungskosten, sind bei der Bildung des Vervielfältigers pauschalierend nicht berücksichtigt worden. Daher muss bei der Ableitung der üblichen Miete nicht darauf Rücksicht genommen werden, inwieweit bestimmte Gruppen von Grundstücken in den Vervielfältiger eingeflossen sind und somit unter Ansatz dieses Vervielfältigers überhaupt ein Ertragswert berechnet werden kann.
Rz. 119
Daher ist es grundsätzlich nachvollziehbar, wenn bei der üblichen Miete einer Gruppe von Grundstücken nicht auf eine flächendeckende Vermietung innerhalb des Anwendungsgebiets des Bewertungsgesetzes abgestellt wird, sondern auf das Vorliegen einer regionalen Miete. Für eine solche Lösung hat sich die Finanzverwaltung ausgesprochen. Das heißt: Liegt für eine Gruppe von Gewerbegrundstücken auf dem regionalen Mietenmarkt eine übliche Miete vor, i.d.R. in Form von Mietspiegeln, ist die Bewertung im Ertragswertverfahren durchzuführen. Lässt sich für die Gruppe der Gewerbegrundstücke regional keine übliche Miete feststellen, erfolgt die Bewertung nach § 147 BewG.
Rz. 120
Die Finanzverwaltung legt in den Fällen der Nutzungsüberlassung zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken das Merkmal "regionaler Grundstücksmarkt" bei der Mietableitung teilweise weit aus. So wird in dem Erlass des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen zur Mietableitung bei Gewerbeimmobilien Folgendes ausgeführt:
"Lassen sich beispielsweise für ein Lichtbildtheater örtliche Vergleichsobjekte nicht ausmachen, sind die üblichen Mietwerte jedoch für einen Ort der Region bekannt und lässt sich mithin die Feststellung treffen, dass das Mietniveau für Gewerbeobjekte in diesem Ort in einem bestimmten Verhältnis höher ist als im Ort, in dem das zu bewertende Objekt liegt, ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die übliche Miete des Vergleichsortes entsprechend verringert zum Ansatz gebracht wird."
Rz. 121
Bei diesem Vorgehen stellt sich die Tatfrage, inwieweit die Mietableitung im Einzelfall zulässig und möglich ist. Der zum Teil erhobene Vorwurf, dass die von Bayern vertretene Auffassung zu einer willkürlichen Abgrenzung des Ertragswertverfahrens vom Bilanzwertverfahren führen könnte, erscheint nicht überzeugend. Denn die Frage, ob die Mietableitung in tatsächlicher Hinsicht möglich ist, richtet sich nach den Verhältnissen im Einzelfall. Sofern selbst ein Vergleich mit Vergleichsobjekten in benachbarten Regionen nicht zur Ermittlung einer üblichen Miete beitragen kann, fehlt eine regionale Miete, so dass nach dem Gesetzeswortlaut nur eine Bewertung unter Ansatz des Bodenwerts und des ertragsteuerlichen Werts für das Gebäude möglich ist.
Rz. 122– 124
Einstweilen frei.