Rz. 49

[Autor/Stand] Die BewG 1925 und 1931 verwendeten noch den bürgerlich-rechtlichen Begriff "Gegenstand". Dieser Begriff umfasst sowohl Sachen als auch Rechte. Er erwies sich jedoch für das Steuerrecht als zu eng; denn als Gegenstände i.S. des Steuerrechts kommen nicht lediglich Sachen und Rechte, sondern auch Güter in Betracht, denen nach den Anschauungen des Verkehrs ein selbständiger Vermögenswert innewohnt, die aber weder Sachen noch Rechte sind. Die Rechtsprechung hat daher für das Steuerrecht den umfassenderen Begriff "Wirtschaftsgut" geprägt.

Den Ausgangspunkt zu dieser Änderung begründete bereits die Rechtsprechung des RFH[2], wonach für das BewG die Gegenstandseigenschaft immaterieller Werte und des Geschäftswerts dann anerkannt wurde, wenn ihre Gegenstandseigenschaft ausnahmsweise durch eine entsprechende feste allgemeine Verkehrsauffassung anerkannt ist oder wenn sie nach 1923 entgeltlich erworben oder durch Aufwendungen als Wirtschaftsgüter anerkannt sind. In der Folgezeit, insb. seit der Steuerreform 1934, haben auch die Steuergesetze allgemein den Begriff des Wirtschaftsguts übernommen, ohne selbst den Begriff zu erläutern. Lediglich in der Begründung zum EStG 1934[3] heißt es: "Dieser Begriff umfasst Gegenstände, Rechte und wirtschaftliche Vorteile jeder Art. Auch Verbindlichkeiten gehören zu den Wirtschaftsgütern (sog. negative Wirtschaftsgüter)."

 

Rz. 50

[Autor/Stand] Nach der Rechtsprechung ist der Begriff des Wirtschaftsguts weit zu fassen. Er umfasst nicht nur Gegenstände i.S. des bürgerlichen Rechts, wie Sachen und Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind. Wenn ein Kaufmann für betriebliche Vorteile einen einmaligen Betrag aufwendet, der im Rahmen der sonstigen Aufwendungen des Betriebs nicht unbedeutend ist, und wenn dieser Betrag sich klar und einwandfrei von den übrigen Aufwendungen abgrenzen lässt, so schafft er durch diese Aufwendungen dann ein Wirtschaftsgut, wenn dadurch ein sich über mehrere Jahre erstreckender greifbarer Nutzen entsteht.[5] Nicht vorausgesetzt wird für die Annahme eines Wirtschaftsguts, dass dieser Vorteil selbständig verkehrsfähig ist; es genügt, wenn er zusammen mit dem Unternehmen veräußert werden kann.[6] Voraussetzung für die Annahme eines Wirtschaftsguts ist aber, dass es sich um einen "greifbaren Wert" handelt, der bei der Bemessung des Verkaufspreises "als Einzelheit ins Gewicht fällt".[7] Der ertragsteuerliche und der bewertungsrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts unterscheiden sich nicht.[8] Der Begriff des Wirtschaftsguts muss auch für den Bereich des Betriebsvermögens und den des Privatvermögens einheitlich ausgelegt werden.[9]

 

Rz. 51

[Autor/Stand] Für die Frage, ob Teile eines Gebäudes als verschiedene Wirtschaftsgüter aufzufassen sind, hat die Rechtsprechung auf den Nutzungs- und Funktionszusammenhang abgestellt, in dem die einzelnen Teile zueinander stehen.[11] Für die Beurteilung des umgekehrten Falles, in dem es um die Zusammenfassung mehrerer getrennter oder nur lose verbundener Wirtschaftsgüter geht, ist das Kriterium des Nutzungs- und Funktionszusammenhangs als regelmäßig nicht geeignet angesehen worden. So reicht beispielsweise die einheitliche Nutzung mehrerer Gebäude für Zwecke der Landwirtschaft nicht aus, um eine einzige Gebäudeeinheit mit im Übrigen unselbständigen Gebäudeteilen anzunehmen.[12] Die fehlende bauliche Verbindung wurde allerdings dann für unerheblich angesehen, wenn eine Baulichkeit oder eine sonstige Einrichtung dem auf demselben Grundstück befindlichen Hauptgebäude derart dient, dass dieses ohne die Einrichtung als unvollständig erscheint oder gar ein negatives Gepräge erhält.[13] Diese Grundsätze gelten auch, wenn es um die Beurteilung beweglicher Sachen im Verhältnis zu Gebäuden geht.[14]

Diese Grundsätze können auf die Abgrenzung/Zuordnung beweglicher Sachen übertragen werden.[15] Auch hier genügt es für die Annahme eines einheitlichen Wirtschaftsguts nicht, dass zwei oder mehrere Gegenstände einem einheitlichen Zweck dienen. Diese Zweckeinheit ist lediglich ein Indiz dafür, dass eine Zusammenfassung der betreffenden Gegenstände in Betracht kommt.[16] Für die abschließende Beurteilung sind aber noch weitere Kriterien heranzuziehen: Der Grad der Festigkeit einer eventuell vorgenommenen Verbindung (§ 93 BGB), der Zeitraum, auf den eine eventuelle Verbindung oder die gemeinsame Nutzung mehrerer beweglicher Sachen angelegt sind, sowie das äußere Erscheinungsbild.[17] Ist letzteres dadurch bestimmt, dass die Gegenstände für sich allein betrachtet unvollständig erscheinen oder gar ein Gegenstand ohne den/die anderen ein negatives Gepräge hat, ist regelmäßig von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen.[18]

 

Rz. 52– 55

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Esskandari, Stand: 01.04.2020
[2] RFH v. 28.2.1930 – III A 84/28, R...

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