Rz. 136.6
Ist mangels geeigneter Vorgaben des örtlichen Gutachterausschusses für das Grundstück mit Windkraftanlage oder Freiflächen-Fotovoltaikanlage eine Ableitung des Bodenwerts nach § 179 Satz 4 BewG durch das Lagefinanzamt erforderlich, werden dafür nach den o.g. Erlassen die jährlichen Erträge zur Nutzung des Grund und Bodens für den Betrieb der Anlage sachgerecht herangezogen. Durch Umrechnung eines laufenden Ertrags oder einer regelmäßigen Geldleistung auf den gegenwärtigen Kapitalwert, d.h. Kapitalisierung von in der Zukunft liegenden Erträgen auf den Bewertungsstichtag, soll letztendlich die Ertragslage des Grund und Bodens abgebildet werden.
Rz. 136.7
Der Wert des Grund und Bodens wird ermittelt durch die Bildung der Summe aus:
- dem über die auf volle Jahre abgerundeten Restlaufzeit des Nutzungsrechts (Restnutzungsdauer der Anlage) kapitalisierten jährlichen Nutzungsentgelt und
- dem über die auf volle Jahre abgerundeten Restlaufzeit des Nutzungsrechts (Restnutzungsdauer der Anlage) abgezinsten Bodenwert für Ackerlandflächen, Forstflächen o.Ä.
Rz. 136.8
Der Kapitalisierung des jährlichen Ertrags und der Abzinsung des Bodenwerts sind jeweils dieselbe Restlaufzeit und in Anlehnung an § 188 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BewG typisierend derselbe Zinssatz i.H.v. 6 % zugrunde zu legen. Die Kapitalisierungsfaktoren bzw. Abzinsungsfaktoren ergeben sich jeweils aus der Anlage 21 bzw. Anlage 26 zum BewG.
Rz. 136.9
Als Nutzungsentgelt ist grundsätzlich das tatsächlich vereinbarte jährliche Entgelt für die Verpachtung der Fläche (Pacht) anzusetzen. Lässt sich das tatsächlich vereinbarte jährliche Entgelt nicht aus den vertraglichen Vereinbarungen entnehmen (z.B. am Ertrag der Anlage bemessene, variable Pachthöhe), bestehen seitens der Finanzverwaltung keine Bedenken, z.B. den durchschnittlichen Pachtertrag der vorangegangenen drei abgeschlossenen Wirtschaftsjahre anzusetzen. Hat sich im Dreijahreszeitraum die Ertragslage nachhaltig verändert (z.B. Neuerrichtung der Anlage), ist von einem entsprechend verkürzten Zeitraum auszugehen.
Rz. 136.10
Beispiel: 1
Die Windkraftanlage des A ist auf einer bisher land- und forstwirtschaftlich genutzten Fläche von 1.500 m² errichtet worden. Die Fläche wird von B an A verpachtet. Die vereinbarte jährliche Pacht des B für die Verpachtung der Fläche beträgt 6.000 EUR. Der Pachtvertrag ist über einen Zeitraum von 30 Jahren geschlossen. Zum Bewertungsstichtag 15.5.2023 beträgt die Laufzeit des Pachtvertrags noch 20 Jahre. Für die Lage des Grundstücks im Außenbereich liegt ausschließlich ein Bodenrichtwert für Ackerlandflächen i.H.v. 5,00 EUR/m² vor.
Es ergibt sich folgende Wertermittlung:
vereinbartes jährliches Nutzungsentgelt (Pacht) |
6.000 EUR |
|
Kapitalisierungsfaktor aus Anlage 21 zum BewG (Restlaufzeit 20 Jahre und Zinssatz 6 %) |
× 11,47 |
|
kapitalisiertes Nutzungsentgelt |
→ |
68.820 EUR |
Bodenwert für Ackerlandfläche (1.500 m² × 5,00 EUR/m²) |
7.500 EUR |
|
Abzinsungsfaktor aus Anlage 26 zum BewG (Restlaufzeit 20 Jahre und Zinssatz 6 %) |
× 0,3118 |
|
abgezinster Bodenwert |
→ |
+ 2.338 EUR |
Grundbesitzwert des unbebauten Grundstücks |
|
71.158 EUR |
Für das unbebaute Grundstück des B ist vom Lagefinanzamt ein Grundbesitzwert i.H.v. 71.158 EUR festzustellen.
Rz. 136.11
Wurde die Anlage nicht auf einer verpachteten Fläche, sondern auf einer Eigentumsfläche des Betreibers errichtet, ist von einem fiktiven Nutzungsentgelt auszugehen, dass sich an den regional marktüblichen Nutzungsentgelten bzw. Pachterträgen für derartige Nutzungen orientiert. Bei Windkraftanlagen bestehen seitens der Finanzverwaltung keine Bedenken, hilfsweise 6 % des jährlichen Ertrags (Nettoeinspeisungsvergütung und ggf. Eigenverbrauch) der Anlage der letzten drei Jahre vor dem Bewertungsstichtag anzusetzen.