Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 11
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht es den Gepflogenheiten des Grundstücksverkehrs, dass der Käufer eines bebauten Grundstücks zumindest denjenigen Preis zahlen wird, der dem gemeinen Wert des unbebauten Grund und Bodens abzüglich etwaiger Freilegungskosten entspricht. Dabei berücksichtigt § 251 BewG die Höhe etwaiger Freilegungskosten – unabhängig davon, ob der Abriss der Gebäude oder Gebäudeteile geplant, erforderlich oder durchgeführt wird – mit einem Abschlag von 25 % vom Wert des unbebauten Grundstücks. Damit will der Gesetzgeber die üblichen Freilegungskosten in sogenannten Liquidationsfällen i.S.d. § 16 Abs. 3 Nr. 2 ImmoWertV typisierend berücksichtigen, in denen der nicht abgezinste Bodenwert ohne Berücksichtigung der Freilegungskosten den im Ertragswertverfahren ermittelten Wert erreicht oder übersteigt.
Rz. 12
Zwischenzeitlich ist die Immobilienwertermittlungsverordnung aktualisiert worden. Nach § 8 ImmoWertV 2021 werden allgemeine und besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale berücksichtigt, denen der Grundstücksmarkt einen Werteinfluss beimisst. Zu den besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen gehören wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale, die nach Art oder Umfang erheblich von dem auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt Üblichen oder erheblich von den zugrunde gelegten Modellen oder Modellansätzen abweichen. Unter anderem können besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale bei baulichen Anlagen vorliegen, die nicht mehr wirtschaftlich nutzbar sind (Liquidationsobjekte) und zur alsbaldigen Freilegung anstehen.
Rz. 13
Danach tritt § 40 Abs. 5 Nr. 3 ImmoWertV 2021 an die Stelle des bisherigen § 16 Abs. 3 ImmoWertV 2010, auf den die Gesetzesbegründung zu § 251 BewG Bezug genommen hat. Abweichend von § 16 Abs. 3 ImmoWertV 2010 wird nun die Bodenwertbeeinflussung von Liquidationsobjekten, deren Definition sich in § 8 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 ImmoWertV 2021 findet – auf die Fälle beschränkt, in denen nicht mit einer alsbaldigen Freilegung zu rechnen ist. Denn anders als der bisherige § 16 Abs. 3 ImmoWertV 2010 suggeriert, sind bei Liquidationsobjekten die Freilegungskosten bei einer alsbaldigen Freilegung in der Regel als besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal nicht beim Bodenwert, sondern erst bei Ermittlung des jeweiligen Verfahrenswerts zu berücksichtigen.
Rz. 14
Unabhängig von der grundsätzlichen Frage, wie Freilegungskosten systematisch zutreffend zu berücksichtigen sind, zeigt die Immobilienwertermittlungsverordnung, dass es sich dem Grunde nach um ein Liquidationsobjekt handeln muss, um einen niedrigeren Wertansatz zu rechtfertigen. Diese Voraussetzung verlangt § 251 BewG dagegen nicht. Vielmehr gilt der auf 75 % reduzierte Wertansatz für unbebaute Grundstücke für alle bebauten Grundstücke unabhängig davon, ob ein Abriss der Gebäude erfolgt oder erfolgen muss.
Rz. 15
Hier zeigt sich, dass eine überzeugende Rechtfertigung für den pauschal für alle Fälle geltenden reduzierten Wertansatz von 75 % zu vermissen ist. In der Praxis ergeben sich Fallgestaltungen, bei denen der auf 75 % reduzierte Wertansatz für unbebaute Grundstücke zu unplausiblen Ergebnissen führt.
Beispiel
Eine Luxusimmobilie in Bestlage wird zu mehr als 80 %, berechnet nach der Wohn-/Nutzfläche, zu Wohnzwecken genutzt. Im Erdgeschoss befinden sich vermietete Ladenlokale. Die auf den gewerblichen Teil entfallende Miete beträgt rund 50 %.
Wegen der überwiegenden Wohnnutzung erfolgt eine Bewertung als Mietwohngrundstück. Hierbei ist das vereinfachte Ertragswertverfahren anzuwenden und die pauschalierten Listenmiete anzusetzen.
Die in tatsächlicher Hinsicht das übliche Maß bei weitem übersteigenden Mieterträge können nicht berücksichtigt werden, sodass der Grundsteuerwert deutlich unter dem gemeinen Wert liegt. Da bei derartigen Grundstücken in Bestlage zum Teil sehr hohe Bodenrichtwerte gelten, kann der Wert des unbebauten Grundstücks allein höher sein, als der Wert, der sich unter Berücksichtigung der Listenmiete für das bebaute Grundstücke gibt. Bereits dieses Ergebnis zeigt, dass es nicht plausibel erscheint, wenn der Wert der luxuriös ausgestatteten Gebäude wegen des Ansatzes der Listenmiete nicht abgebildet werden kann. Wenn darüber hinaus ein pauschaler Wertansatz von nur 75 % des für das unbebaute Grundstück geltenden Werts als Mindestwert angesetzt wird, obwohl in keiner Hinsicht Anhaltspunkte für einen Abriss der Gebäude besteht, wird deutlich, dass der Mindestwert des § 251 BewG zu einer pauschalen Überbegünstigung führen kann.
Rz. 16– 17
Einstweilen frei.