Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 65
Wie bei der Ertragsbewertung, ist auch bei der Bewertung von Grundstücken, die mit einem Erbbaurecht belastet sind, der Kapitalisierungsfaktor festgeschrieben, mit dem der jährliche Erbbauzins zu vervielfachen ist. Er beträgt 18,6. Dieser Vervielfältiger entspricht dem Kapitalisierungsfaktor, der bei einer ewigen Rente zugrunde gelegt wird. Nach den Ausführungen im zweiten Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags ist der im Vergleich zum Ertragswertverfahren wesentlich höhere Vervielfältiger gewählt worden, weil bei der Bestellung von Erbbaurechten Verwaltungskosten und sonstige, durch Abschläge zu berücksichtigende Belastungen nicht in größerem Umfang vorliegen.
Dieser Argumentation kann nur teilweise zugestimmt werden. Zutreffend ist, dass kaum Verwaltungsaufwand und bei Bestellung eines Erbbaurechts an einem unbebauten Grundstück kein Instandhaltungsaufwand anfällt, so dass die Kürzung um 15 % nicht gerechtfertigt wäre. Dagegen lässt sich die Reduzierung des Abschlags für die begrenzte Nutzungsfähigkeit von 10 %, für Bewertungsrisiken von ebenfalls 10 % und für die Gemeinwohlbindung von 5 %, insgesamt also 25 % auf 7 % (Differenz zwischen 20 und 18,6, bezogen auf 20) nicht begründen. Auch für den Erbbaurechtsverpflichteten besteht eine begrenzte Nutzungsfähigkeit seines Grundstücks. Es treten Bewertungsrisiken auf und die Gemeinwohlbindung ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Der Abschlag hätte somit weit mehr als 7 % betragen können, ggf. bis zu 25 %, was dann zu einem Vervielfältiger von 15 geführt hätte. Bei einem angenommenen Liegenschaftszinssatz von 5 % (bei der Ertragsbewertung zugrunde gelegt) wäre dieser Vervielfältiger bei einer Laufzeit des Erbbaurechts von 29 Jahren erreicht worden.
Rz. 66
Sind Erbbauzinsen von 5,376 % des Bodenwerts vereinbart, ergibt sich durch die Kapitalisierung mit dem Vervielfältiger von 18,6 der Bodenwert des Grundstücks. Liegt der Erbbauzins unter diesem Wert, wie z.B. bei Ein- und Zweifamilienhäusern mit 2,5 % und Mehrfamilienhäusern mit 3,5 %, teilweise auch bei gemischtgenutzten Grundstücken, kommt es im Vergleich zu einem unbelasteten Grundstück zu einer Unterbewertung.
Beispiel
2,5 % des Bodenwerts von 200 000 EUR ergibt einen Erbbauzins von jährlich 5 000 EUR. Kapitalisiert mit 18,6 ist der Wert des Erbbaurechtsbelasteten Grundstücks mit 93 000 EUR anzusetzen.
Ist der vereinbarte Erbbauzins höher als der Grenzwert von 5,376 % – dies ist häufig bei gewerblich genutzten Grundstücken sowie Büro- und Geschäftsgrundstücken der Fall –, führt die Kapitalisierung mit dem Vervielfältiger von 18,6 zu einer Überbewertung.
Beispiel
Für ein Bürogrundstück wird ein Erbbauzins von 6,5 % des Bodenwerts von 500 000 EUR gezahlt.
Die jährlichen Erbbauzinsen von 6,5 % von 500 000 EUR = 32 500 EUR ergeben unter Ansatz des Kapitalisierungsfaktors von 18,6 für das erbbaurechtsbelastete Grundstück einen Wert von 604 500 EUR, also mehr als der Grundstückswert vor Bestellung des Erbbaurechts von 500 000 EUR.
Rz. 67
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der Ansatz eines einheitlichen Kapitalisierungsfaktors von 18,6 – wie bei der Ertragsbewertung der einheitliche Vervielfältiger von 12,5 – einer genauen Grundstückswertermittlung nicht gerecht wird. Ein weiterer Kritikpunkt ergibt sich dadurch, dass der Vervielfältiger von 18,6 unabhängig von der Laufzeit des Erbbaurechts anzusetzen ist. Dies lässt sich nach Christoffel/Geckle/Pahlke nur damit rechtfertigen, dass durch das Näherrücken des Vertragsendes der Wert des Erbbauzinsanspruchs geringer wird, allerdings ergibt sich für den Grundstückseigentümer ein "wachsender" Wertzuwachs dadurch, dass er durch das Näherrücken des Ablaufzeitpunkts mehr und mehr an Verfügungsmacht über sein Grundstück gewinnt. Dieser Argumentation ist zuzustimmen, wenn der vereinbarte Erbbauzins dem Liegenschaftszins von 5,376 % entspricht. Häufig wird jedoch im Bereich des Wohnungsbaus ein Erbbauzins von 5,376 % bei weitem nicht erreicht. Hier führt die Kapitalisierung mit 18,6 zu einer mehr oder weniger bedeutsamen Unterbewertung. Dies zeigt die nachfolgende Tabelle:
Angenommener Erbbauzins |
Tatsächlicher Erbbauzins |
Differenz in % |
Unterbewertung in % |
5,376 |
2,0 |
3,376 |
62,79 |
5,376 |
2,1 |
3,276 |
60,93 |
5,376 |
2,2 |
3,176 |
59,07 |
5,376 |
2,3 |
3,076 |
57,21 |
5,376 |
2,4 |
2,976 |
55,35 |
5,376 |
2,5 |
2,876 |
53,49 |
5,376 |
2,6 |
2,776 |
51,63 |
5,376 |
2,7 |
2,676 |
49,77 |
5,376 |
2,8 |
2,576 |
47,91 |
5,376 |
2,9 |
2,476 |
46,05 |
Angenommener Erbbauzins |
Tatsächlicher Erbbauzins |
Differenz in % |
Unterbewertung in % |
5,376 |
3,0 |
2,376 |
44,19 |
5,376 |
3,1 |
2,276 |
42,33 |
5,376 |
3,2 |
2,176 |
40,47 |
5,376 |
3,3 |
2,076 |
38,61 |
5,376 |
3,4 |
1,976 |
36,75 |
5,376 |
3,5 |
1,876 |
34,89 |
5,376 |
3,6 |
1,776 |
33,03 |
5,376 |
3,7 |
1,676 |
31,17 |
5,376 |
3,8 |
1,576 |
29,31 |
5,376 |
3,9 |
1,476 |
27,45 |
5,376 |
4,0 |
1,376 |
25,59 |
5,376 |
4,1 |
1,276 |
23,73 |
5,376 |
4,2 |
1,176 |
21,87 |
5,376 |
4,3 |
1,076 |
20,01 |
5,376 |
4,4 |
0,976 |
18,15 |
5,376 |
4,5 |
0,876 |
16,29 |
5,376 |
4,6 |
0,776 |
14,43 |
5,376 |
4,7 |
0,676 |
12,57 |
5,376 |
4,8 |
0,576 |
10,71 |
5,376 |
4,9 |
0,476 |
8,85 |
5,376 |
5,0 |
0,376 |
6,99 |
5,3... |