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Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit war in den ersten Steuergesetzen, die das Vermögen nach seinem Wert besteuerten, noch nicht enthalten. In Ausführungsanweisungen zu diesen Gesetzen (z.B. dem preußischen Ergänzungssteuergesetz) wurde bereits angeordnet, dass grundsätzlich die Wertermittlung für jeden einzelnen Teil des Vermögens zu erfolgen habe, wobei unter den einzelnen Teilen die wirtschaftlich nicht zusammenhörigen selbständigen Bestandteile des Vermögens zu verstehen seien, z.B. die verschiedenen Einzelposten, aus denen sich das Kapitalvermögen zusammensetze, dagegen seien die zu einer wirtschaftlichen Einheit gehörigen Vermögensteile bei der Würdigung ihres Wertes nicht voneinander zu trennen, sondern mit ihrem Wert im Ganzen zu erfassen. Entsprechende Vorschriften und Anordnungen sind auch zu Nachfolgegesetzen (z.B. dem Gesetz über einen einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag und dem Besitzsteuergesetz v. 3.7.1913) ergangen. Zu der Frage, was unter einer wirtschaftlichen Einheit zu verstehen ist, hat bereits das Preuß. OVG in zahlreichen Entscheidungen Stellung genommen. Die vom Gericht herausgebildeten Grundsätze sind alsdann im § 137 Abs. 2 AO 1919 in Gesetzesform (Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit nach den Anschauungen des Verkehrs unter Berücksichtigung bestimmter Merkmale – örtliche Gegebenheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter) gebracht worden.
In dem früheren § 137 Abs. 2 AO war das Verbot, Gegenstände, die verschiedenen Eigentümern gehören, in einer wirtschaftlichen Einheit zu vereinen, noch nicht enthalten. Tatsächlich wurde aber die Vorschrift in dem Sinne gehandhabt, dass Wirtschaftsgüter, die verschiedenen Personen gehören, nicht zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden durften. Zur Vermeidung von Zweifeln wurde das in § 9 Abs. 2 BewG 1925 ausdrücklich ausgesprochen.
Im Jahre 1931 sind beide Vorschriften (§ 137 Abs. 2 AO 1919 zusammen mit § 9 Abs. 2 BewG 1925) in § 2 BewG 1931 und weiter in das BewG 1934 übernommen worden. Dabei ist es im BewG 1965 und im BewG 1974 geblieben. Hieraus ergibt sich, dass für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit sowohl wirtschaftliche als auch – und zwar dann, wenn es sich um die Zusammenfassung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer Einheit handelt – rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Aus den Gründen:
"Stellt ein Wirtschaftsgut eine wirtschaftliche Einheit dar, so ist dieses Wirtschaftsgut für sich zu bewerten. Es können jedoch mehrere oder gar viele Wirtschaftsgüter für die Bewertung zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden. Für eine solche Zusammenfassung müssen jedoch zwei Voraussetzungen gegeben sein: Einmal muss wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der mehreren Wirtschaftsgüter vorliegen (§ 2 Abs. 1 BewG) und zum anderen müssen die – wirtschaftlich zusammengehörigen – Wirtschaftsgüter demselben Eigentümer gehören (§ 2 Abs. 2 BewG). Von dem letzten Erfordernis besteht für das landwirtschaftliche Vermögen eine Ausnahme."
Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei dem Begriff der wirtschaftlichen Einheit um einen sog. Typusbegriff, der im Gegensatz zu einem abstrakten Begriff noch offen ist. Aufgabe der Rechtsprechung ist es, im Einzelfall aus dem Gesamtbild der Einzelerscheinungen zu entscheiden, ob sie dem maßgebenden Typus (hier dem Typus der wirtschaftlichen Einheit) zuzuordnen sind.
Neben dem Begriff der wirtschaftlichen Einheit (§ 2 Abs. 1 BewG) kennt das BewG den Begriff der wirtschaftlichen Untereinheit (vgl. § 19 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b BewG). Praktisch gibt es derzeit für diese Begrifflichkeit keinen Anwendungsbereich, weil eine Einheitsbewertung nur noch beim Grundbesitz erfolgt.