Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 60
Anders als beim Ansatz des Anspruchs auf den Erbbauzins dürfte zu erwarten sein, dass der Steuerzahler innerhalb der Veranlagung zur Erbschaft-/Schenkungsteuer – zumindest für Bewertungsstichtage bis zum 13.12.2011 – den Abzug der Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses verlangt.
Rz. 61
Die bisherige Konzeption des Bewertungsgesetzes (vgl. Rz. 55–59) kann so ausgelegt werden, dass die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses dem Grunde nach nicht bereits mit der Bewertung des Erbbaurechts abgegolten ist, weil sich der Umfang der wirtschaftlichen Einheit "Erbbaurecht" nach § 176 BewG richtet.
Rz. 62
Gegen den gesonderten Abzug der Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses spricht für Bewertungsstichtage bis zum 13.12.2011 lediglich, dass bei der Ermittlung des Werts des Erbbaurechts auch die Höhe der zu zahlenden Erbbauzinsen einfließt. Diese Argumentation wäre systematisch angreifbar, weil vorrangig entscheidend ist, ob der Ansatz eines Wirtschaftsguts oder der Abzug einer Verpflichtung dem Grunde nach zu erfolgen hat.
Rz. 63
Soweit davon ausgegangen wird, dass die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses der Höhe nach bei der Bewertung des Erbbaurechts in hinreichendem Umfang einfließt, ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Die Rechtsgrundlage hierzu bildet § 193 Abs. 3 BewG, wonach in den Wert eines Erbbaurechts auch ein Bodenwertanteil einzubeziehen ist, der sich ergibt, indem die Differenz zwischen dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks und dem vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins über die Restlaufzeit des Erbbaurechts mit dem sich aus Anlage 21 zum BewG ergebenden Vervielfältiger kapitalisiert wird.
Rz. 64
Zahlt der Erbbauberechtigte einen Erbbauzins, der niedriger ist, als der Erbbauzins, der üblicherweise für vergleichbare Erbbaurechte zu zahlen ist, hat der Erbbauberechtigte einen Vorteil, dessen betragsmäßige Differenz laufzeitabhängig kapitalisiert und in die Bewertung des Erbbaurechts einbezogen wird. Zahlt der Erbbauberechtigte dagegen einen zu hohen Erbbauzins, wird der Nachteil als negativer Bodenwert berücksichtigt. Somit kann man davon ausgehen, dass die Finanzverwaltung eine Berücksichtigung der Zinszahlungen bereits bei der Bewertung des Erbbaurechts unterstellt, so dass daneben keine gesonderte Verpflichtung im Rahmen der Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden darf.
Rz. 65
Insofern erscheint die von der Finanzverwaltung realisierte Bewertung des Erbbaurechts unter Einbeziehung der Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses in sich – zumindest der Höhe nach – schlüssig.
Rz. 66
Troll, Gebel, Jülicher gehen davon aus, dass nur für die dinglichen Rechte bzw. ihre Gegenstände (Erbbaurecht, belastetes Grundstück), die selbständige wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens bilden, bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer ein Wertansatz erfolgen kann. Hingegen seien obligatorische Rechtspositionen grundsätzlich nicht anzusetzen, wenn sie nicht als Bestandteil des Grundstücks bzw. bei der Bewertung des Erbbaurechts zu behandeln sind. Dies kann aus den vorgenannten Gründen nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut abgeleitet werden.
Rz. 67
Für Bewertungsstichtage nach dem 13.12.2011 wurde mit Art. 10 des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes durch Einfügung eines Satzes 2 im § 192 BewG geregelt, dass mit der Bewertung des Erbbaurechts (§ 193) die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses abgegolten ist. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass ein separater Ansatz nicht in Betracht kommt.
Rz. 68
Die vorstehenden Ausführungen werden mit dem Urteil des FG Münster vom 21.6.2018 untermauert. Auch das FG sieht die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses mit der Bewertung des Erbbaurechts als abgegolten an. Die Verpflichtung kann folglich nicht von der Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer abgezogen werden. Die Bereicherung und im Umkehrschluss für den anderen Beteiligten die Entreicherung ergibt sich im Rahmen der Bewertung durch den kapitalisierten Unterschiedsbetrag zwischen dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwertes und dem vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins. Die Be- bzw. Entreicherung wird dadurch deutlich, dass ein unter- bzw. oberhalb der üblichen Bodenwertverzinsung liegendes Entgelt entrichtet wird.
Rz. 69– 73
Einstweilen frei.