Rz. 40
Die Anknüpfung an das Erbrecht des BGB geht nicht so weit, dass Erwerbe nach ausländischem Recht von der Besteuerung ausgenommen sind. Das ist von Anfang an so gesehen worden. Deshalb hat der BFH in st.Rspr. entschieden, dass ein Erwerb nach ausländischem Recht, der im deutschen Recht keine Entsprechung hat, aber einem in § 3 ErbStG genannten Erwerb wirtschaftlich entspricht, der Erbschaftsteuer unterliegt, sofern im Übrigen die Voraussetzungen der Steuerpflicht gegeben sind. Auch hier zeigt es sich, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise dem Erbschaftsteuerrecht keineswegs fremd ist.
Rz. 41
Das gilt auch für die Erwerbe, bei denen § 3 ErbStG ausdrücklich auf Vorschriften des BGB verweist. In dieser Bezugnahme ist die abstrakte Beschreibung eines bestimmten Erwerbsvorgangs zu sehen, also einer Gesamtrechtsnachfolge oder einer Einzelrechtsnachfolge von Todes wegen, und nicht ein konkreter Erwerb nach den deutschen Vorschriften. Deshalb erfolgt die Einbeziehung ausländischer Erwerbe durch eine wirtschaftlich orientierte Auslegung der Erwerbstatbestände des ErbStG und nicht durch Analogie.
Rz. 42
Um den ausländischen Erwerbstatbestand unter das ErbStG subsumieren zu können, wurde von der Rechtsprechung die sog. zweistufige Objektqualifikation entwickelt. Auf der ersten Stufe wird verglichen, ob das ausländische Privatrechtsinstitut einem der in § 3 ErbStG genannten Erwerbsvorgänge entspricht. Wird dies verneint, muss auf einer weiteren Stufe geprüft werden, ob die dem potentiellen Steuerpflichtigen nach ausländischem Recht zustehende Rechtsposition an das deutsche Recht angepasst werden kann.
Rz. 43
Ein Erbanfall i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist somit gegeben, wenn nach dem maßgebenden ausländischen Recht der Tod einer Person unmittelbar kraft Gesetzes zu einer Gesamtrechtsnachfolge in ihr Vermögen führt. Ist dies der Fall, entspricht dies sowohl hinsichtlich der Rechtsfolgen als auch des wirtschaftlichen Ergebnisses einem Erwerb durch Erbfolge gem. §§ 1922 und 1967 BGB. Unerheblich ist, wie das ausländische Recht den Erwerb zivilrechtlich qualifiziert. Nicht erforderlich ist auch, dass sich die Gesamtrechtsnachfolge auf das gesamte Vermögen des Erblassers erstreckt.
Rz. 44
Für alle Erbfälle ab dem 17.8.2015 gilt die EU-ErbVO. Die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt danach vorrangig dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 21 I EU-ErbVO). Die vorher zur Bestimmung des Erbstatuts maßgebliche Staatsangehörigkeit (Art. 25 I EGBGB) ermöglicht nur noch die Möglichkeit, das Heimatrecht in Form einer Verfügung von Todes wegen zu wählen (Art. 22 EU-ErbVO).