Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 20
Die zweite Voraussetzung für die Anwendung des § 94 BewG ist, dass das Gebäude einem anderen zuzurechnen ist als demjenigen, dem der Grund und Boden zuzurechnen ist. Dieser Fall ist aufgrund bürgerlichen Rechts gegeben, wenn ein anderer als der bürgerlich-rechtliche Eigentümer des Grund und Bodens das Gebäude zu einem vorübergehenden Zweck (z.B. für die Pachtdauer) oder in Ausübung eines dinglichen Rechts (z.B. Nießbrauchs) errichtet hat. Die Zurechnung des Gebäudes an einen anderen als denjenigen, dem der Grund und Boden zuzurechnen ist, kann auch aufgrund des Steuerrechts geboten sein, wenn zwischen dem Eigentümer des Grund und Bodens und dem sog. wirtschaftlichen Eigentümer des Gebäudes (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) keine Personengleichheit besteht. Unabhängig davon, wer das Gebäude errichtet hat, ist somit entscheidend, ob am Bewertungsstichtag der bürgerlich-rechtliche Eigentümer des Gebäudes (Scheinbestandteil i.S. des § 95 BGB) oder der sog. wirtschaftliche Eigentümer des Gebäudes i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ein anderer ist als derjenige, dem der Grund und Boden zuzurechnen ist (§ 70 Abs. 3 BewG).
Rz. 21
Der Begriff "wirtschaftliches Eigentum" wird im Steuerrecht allgemein gebraucht, ist aber kein eigener Eigentumsbegriff des Steuerrechts. Mit diesem Begriff wird lediglich die Abweichung von der durch das Privatrecht vorgegebenen Regelzurechnung für steuerliche Zwecke verallgemeinernd umschrieben. Dem entspricht der Wortlaut des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, der für die Zurechnung eines Wirtschaftsgutes an den wirtschaftlichen Eigentümer Folgendes bestimmt: "Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen." Für die Annahme eines wirtschaftlichen Eigentums kommt es somit entscheidend darauf an, dass der nach dem Privatrecht an sich Berechtigte durch eine andere Person von der Sachherrschaft und damit von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut für die Nutzungsdauer ausgeschlossen ist.
Rz. 22
Wirtschaftliches Eigentum kann nur anerkannt werden, wenn die Befugnisse desjenigen, der zivilrechtlich nicht Eigentümer ist, so stark sind, dass er eine Sachherrschaft über das Wirtschaftsgut ausübt, die der des Eigentümers gleichkommt. Der wirtschaftliche Eigentümer muss somit in objektiver Hinsicht die Nutzungen des Wirtschaftsgutes ziehen und die Lasten tragen und damit auch die Befugnis über das Wirtschaftsgut und die Früchte haben. Schließlich muss in subjektiver Hinsicht der Wille des Besitzers bestehen, ohne Rücksicht auf einen etwa entgegenstehenden Willen anderer über das Wirtschaftsgut zu herrschen.
Rz. 23
Allgemein gültige Regeln über die Anerkennung wirtschaftlichen Eigentums bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden lassen sich ohne einen konkret gegebenen Sachverhalt kaum aufstellen. Immer kommt es auf die Verhältnisse des tatsächlich vorliegenden Sachverhalts im Einzelfall an. Folgende Anhaltspunkte sprechen für die Annahme des wirtschaftlichen Eigentums:
- das Gebäude wird ausschließlich auf Kosten des Erbauers hergestellt und dient seinen Zwecken;
- es besteht das Recht, Einbauten und Umbauten am Gebäude ohne Genehmigung des Grundstückseigentümers durchführen zu können;
- es besteht die Verpflichtung, das Gebäude nach Ablauf der Vertragsdauer mit oder ohne Entschädigung dem Grundstückseigentümer zu überlassen;
- es besteht das Recht, das Gebäude nach Ablauf der Mietzeit abreißen zu lassen bzw. die Verpflichtung, das Gebäude zum Ablauf der Miet- und Pachtzeit abzureißen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen;
- Vereinbarungen über den Miet- und Pachtzins nur für den Grund und Boden;
- die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gebäudes wird nicht vom Eigentümer des Grund und Bodens getragen.
Rz. 24– 26
Einstweilen frei.