Rz. 676
Kraft gesetzlicher Anordnung gelten "die Sätze 1 und 2 ... auch für Genossenschaften". Gemeint ist die Erstreckung der "Regelung auf Genossenschaften, weil auch bei diesen Gesellschaften (§ 1 Abs. 1 GenG) die beschriebenen Wertverschiebungen durch Einlagen möglich sind." Eine weitere Begründung liefert der Gesetzgeber nicht.
Rz. 677
Es spricht jedoch Einiges dafür, dass eine entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zur Erfassung einer Werterhöhung von Genossenschaftsanteilen ins Leere geht. Nach den Vorschriften des GenG haben die Genossen zwar ihre satzungsmäßigen Pflichteinlagen auf ihre Geschäftsanteile einzuzahlen, wobei auch Sacheinlagen zugelassen werden können (§§ 7 Nr. 1, 7a GenG). Im Falle ihres Ausscheidens aus der Genossenschaft können sie jedoch nur ihr Geschäftsguthaben fordern, das nach Maßgabe der Bilanz auf den Schluss des jeweiligen Geschäftsjahrs berechnet wird und regelmäßig keine Teilhabe an Rücklagen und sonstigem Vermögen der Genossenschaft, wie bspw. Zuschüssen, gewährt (§§ 65, 73, 77 GenG). Zivilrechtlich erscheint es daher schon höchst zweifelhaft, ob freiwillige Einlagen eines Genossen überhaupt geeignet sind die Geschäftsanteile der Mitgenossen wertmäßig unmittelbar zu beeinflussen. Auch bewertungsrechtlich lässt sich der Wert der Genossenschaftsanteile offenbar nicht aus dem Wert des Betriebsvermögens der Genossenschaft ableiten (§ 97 BewG Rz. 371); anderenfalls dürfte man nur eine auflösend auf das Ausscheidungsguthaben bedingte Bereicherung des/r Genossen annehmen. Bei unentgeltlichen Leistungen an eine Genossenschaft kommt demnach nur sie selbst als Erwerberin freigebiger Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht. Die Frage einer Anwendungskonkurrenz zu § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG stellt sich nicht.
Rz. 678
Wenn § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG lediglich Satz 1 einschränkt (s. Rz. 660), stößt man bei einschlägigen Zuwendungen zwischen Genossenschaften konsequent ebenfalls in die Luft. Im Übrigen bestätigt die angeordnete Geltung des Satzes 2 auf derartige Bereicherungsvorgänge die selbstverständliche Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Sollten die internen Anteilsverhältnisse hierbei relevant sein (ablehnend Rz. 660), würde sich der Umfang des steuerbaren Erwerbs reduzieren, soweit dieselben Genossen an beiden Genossenschaften übereinstimmend beteiligt sind; ob nach Zahl der Geschäftsanteile, nach den Summen der geleisteten Einzahlungen oder der Geschäftsguthaben, nach Köpfen oder aber nach anderen Maßstäben zu urteilen ist, wäre dann zu klären (s. aber § 97 BewG Rz. 374, 377). Die kumulativ verlangte Bereicherungsabsicht hins. der Mitglieder der leistungsempfangenden Genossenschaft ist aufgrund der zivilrechtlichen Rechtslage in diesem Zusammenhang jedenfalls unerheblich. Denkbar erscheint allerdings auch gerade deshalb die Freigebigkeit bei Zuwendungen zwischen Genossenschaften zu verneinen und, der Gesetzesbegründung unkritisch folgend (a.A. Rz. 655), zwecks Abbaus von Rechtsformunterschieden in der Besteuerung die Schenkungsteuerbarkeit grundsätzlich abzulehnen.
Rz. 679
Satz 3 bestätigt auch die Schenkungsteuerbarkeit unentgeltlicher Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften und Genossenschaften. Einschlägig ist stets § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; die Anwendung des § 7 Abs. 8 Satz 1 (und Satz 2) ErbStG ist nur bei Leistungen von Genossenschaften an Kapitalgesellschaften denkbar (s. Rz. 677 f.). Die Steuerberechnung soll nach Maßgabe des § 15 Abs. 4 ErbStG erfolgen. Beachten Sie: In diesem Zusammenhang wird § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG allerdings offiziell ausgeblendet.
Rz. 680
Bei Leistungen einer Genossenschaft an ihre Mitglieder greift § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG tatbestandlich nur, wenn und soweit eine Kapitalgesellschaft oder andere Genossenschaft Leistungsempfänger ist. In allen anderen Fällen kommen allein freigebige Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht. Indirekt betont die Finanzverwaltung, dass Verstöße gegen das "genossenschaftliche Gleichbehandlungsgebot" schenkungsteuerlich bedeutsam sein können (vgl. auch Rz. 539 ff.). Insb. genossenschaftliche Rückvergütungen, die als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln sind, falls sie nicht nach § 22 KStG abziehbare Betriebsausgaben darstellen, rücken damit ins Visier der Schenkungsteuer (s. auch Rz. 546 ff.). Für Sonderzuwendungen an einzelne Genossen gilt dies ohnehin. Der Widerspruch zur derzeitigen Verneinung der Schenkungsteuerbarkeit vGAen von Kapitalgesellschaften ist offensichtlich.