Rz. 25
Bereits sehr früh nach der Einfügung des § 142 BewG in das Bewertungsgesetz wurde – auch in diesem Kommentar – deutliche Kritik an der gesetzlichen Regelung angebracht. Hierbei wurde letztlich auch herausgestellt, dass wegen der wohl nur sehr eingeschränkten Bedeutung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft und wegen der vom BVerfG gesetzten kurzen Fristen für die Umsetzung einige Überlegungen bei der Gesetzgebung nicht hinreichend gewürdigt werden konnten.
Rz. 26
Dabei stellte sich zuallererst die Frage, ob es im Rahmen der Bedarfsbewertung richtig ist, bei der Definition des Ertragswerts nach § 36 Abs. 2 BewG zu bleiben, oder müsste in Anbetracht der strukturellen Entwicklung in der Landwirtschaft ein ähnliches Ertragswertverfahren wie beim Grundvermögen eingeführt werden?
Rz. 27
Der Hintergrund dieser Frage ist wie folgt zu sehen: Im Rahmen des § 142 BewG sind Eigentumsflächen zu bewerten. In den alten Bundesländern war bereits bei der Verabschiedung des Gesetzes die Masse der zu beurteilenden Fälle verpachtet. Unter Berücksichtigung des bereits abzusehenden Generationswechsels in vielen Betrieben, wobei die nachfolgende Generation den Betrieb in vielen Fällen nicht weiterführen wird, war abzusehen, dass es zu einer erheblichen Zunahme der Pachtfälle kommen würde. Dieser Trend hat sich auch tatsächlich bewahrheitet. Allerdings ist inzwischen eine Umkehr von dieser Entwicklung zu vezeichnen.
Rz. 28
In den neuen Bundesländern wurden schon 1997 etwa 90 % der Flächen als Pachtflächen bewirtschaftet. In der Gesamtschau der alten und neuen Bundesländer wurden somit im Durchschnitt etwa 60 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche als Pachtland bewirtschaftet. Daraus ist abzuleiten, dass nicht nur in der Masse der Fälle, sondern auch in der Masse der Flächen der Reinertrag nicht durch ordnungsmäßige Bewirtschaftung, sondern durch regelmäßige Pachteinnahmen erzielt wird. Von daher wäre es eigentlich angebracht gewesen, die Pachtpreise der einzelnen Regionen zu ermitteln und die Bewertung über Pachtspiegel, die z.B. in Abhängigkeit von der Bodengüte aufzustellen sind, zu ermitteln. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass durch die Verknappung von Pachtflächen auch ein Preisanstieg bei den Pachtpreisen zu verzeichnen ist.
Rz. 29
Auch die weitere Frage, ob eine zutreffende Bewertung nach dem Ertragswert den Verkehrswert völlig außer Acht lassen kann, wurde geprüft. Diese Frage ist von besonderer Bedeutung, wenn speziell für die Erbschaftsbesteuerung Bewertungsverfahren entwickelt werden müssen. Das Ergebnis der Prüfung fand aber keinen Niederschlag in der Gesetzgebung, da eine enge Anbindung an die Verkehrswerte auch beim Grundvermögen letztlich nicht zum Zuge kam.
Rz. 30
Hintergrund für diese Frage waren folgende Überlegungen: Mindestens dann, wenn mit dem "klassischen" Ertragswertverfahren Verkehrswerte deutlich überschritten werden, wird man zu Recht verlangen, dass die Ermittlung dieses Ertragswerts noch einmal zu überdenken ist. Das Gleiche muss aber auch gelten, wenn aufgrund des Ertragswertverfahrens nur noch Bruchteile des Verkehrswerts erreicht werden. In diesen Fällen hätte der Gesetzgeber auch im Rahmen der Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens über einen Mindestwert nachdenken müssen, der in einer angemessenen Relation zum Verkehrswert liegt. Dies wäre insbesondere in den Fällen von besonderer Bedeutung, in denen Schulden in tatsächlicher Höhe bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer zum Abzug (vgl. § 10 ErbStG) zugelassen werden.
Rz. 31
Den theoretischen Hintergrund für diese Überlegungen hat der BFH in seinen Ausführungen zum Totalgewinn bei der Abgrenzung des Erwerbsbetriebes zur sog. Liebhaberei geliefert. Er fordert dort die Berücksichtigung möglicher Gewinnanteile, die sich erst am Ende der betrieblichen Tätigkeit bei der Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation ergeben. Umgelegt auf die Ermittlung des Ertragswertes bedeutet das, dass die regelmäßig bei der Veräußerung oder Entnahme der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke erzielbaren Veräußerungsgewinne als außerordentlicher Ertrag erhöhend berücksichtigt werden müssen.
Rz. 32
Erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken an der Ausgestaltung der Bedarfsbewertung hat der BFH in seinem Beschluss v. 22.5.2002 geäußert. Letztlich hat dann das BVerfG die Fehler des Gesetzgebers gnadenlos aufgedeckt und deutlich auf die unterschiedliche Behandlung des Immobilienvermögens und des Kapitalvermögens bei der Berechnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer hingewiesen. Zwar hat dabei die Einführung eines Mindestwertes keine besondere Bedeutung gehabt; die offenkundigen Unterschiede zwischen dem festzustellenden Bedarfswert und dem tatsächlichen Verkehrswert haben jedoch zur Verfassungswidrigkeit des bis zum 31.12.2008 geltenden Erbschaftsteuergesetzes und zu einer Neufassung...