Rz. 45

[Autor/Stand] Erbengemeinschaften sind keine rechtsfähigen Gebilde i.S. des BGB.[2] Die Zurechnung von Grundbesitz und – für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 (§ 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BewG i.d.F. des ErbStRG v. 24.12.2008[3]; s. aber § 154 BewG Anm. 58) – auch des übrigen Vermögens ( Hinweis: Beteiligungen an Personengesellschaften sind hiervon ausgenommen; s. § 153 BewG Anm. 26, 61 m.w.N.), das der Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaftsteuer unterliegt (§ 151 Abs. 5 Satz 3 BewG), erfolgt jedoch ausdrücklich auf die Erbengemeinschaft. Dies geschieht, so der mit dem ErbStRG angeblich nur "klarstellend"[4] ergänzte Wortlaut der § 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 (und der §§ 154 Abs. 3 Satz 1, 155 Satz 2) BewG, in Vertretung der Miterben.

 

Rz. 46

[Autor/Stand] Die Erläuterung, damit erlange die als "gesetzliche" Vertreterin der Miterben verstandene Erbengemeinschaft "insoweit steuerrechtliche Rechtsfähigkeit"[6], ist allerdings nicht zweifelsfrei (s. § 153 BewG Anm. 29; § 154 BewG Anm. 25). Ein derartiges Verständnis der Erbengemeinschaft führt nicht nur bei der Aufforderung zur Abgabe von Bedarfsbewertungserklärungen und der Bekanntgabe von Bedarfsbewertungsbescheiden zu Problemen (s. § 153 BewG Anm. 23 ff.; § 154 BewG Anm. 58 ff.). Auch im hier relevanten Kontext der Rechtsbehelfsbefugnis besteht Erörterungsbedarf.[7]

 

Rz. 47

[Autor/Stand] Folgt man der Begründung der bisherigen Fassung des § 155 BewG,[9]"ist die Erbengemeinschaft grundsätzlich nur gemeinschaftlich befugt, den Feststellungsbescheid anzufechten."[10] Eine Gemeinschaft kann jedoch nicht gemeinschaftlich handeln,[11] dies können nur ihre Mitglieder.[12] Konsequent gelangt man so zur Rechtsbehelfsbefugnis der Miterben – begründbar mit der zivilgerichtlichen Rspr., die den Begriff "Erbengemeinschaft" als Kurzbezeichnung der Erben versteht[13], denen der Nachlass als "Sondervermögen" zugeordnet ist.[14]

 

Rz. 48

[Autor/Stand] Die Miterben sind Beteiligte des Feststellungsverfahrens einerseits kraft Zurechnung des jeweiligen Feststellungsgegenstands nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 BewG, denn der Nachlass wurde durch Erbanfall gemeinschaftliches Vermögen der Erben "in Erbengemeinschaft" (§§ 1922 Abs. 1, 2032 Abs. 1 BGB[16] – Hinweis: Bei Beteiligungen an Personengesellschaften ist dies nicht möglich; s. § 153 BewG Anm. 26, 61 m.w.N.). Hierzu gehörende bedarfsbewertungsbedürftige Vermögensgegenstände sind allen Miterben gemeinsam – deshalb einheitlich (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO) – und, da jeder Erbe als Erwerber von Todes wegen mit seinem Erbteil erbschaftsteuerpflichtig ist,[17] auch anteilig nach ihren Erbquoten zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 3 BewG; s. auch § 153 BewG Anm. 23).[18]

 

Rz. 49

[Autor/Stand] Andererseits sind sie aber auch kraft Aufforderung verfahrensbeteiligt nach § 154 Abs. 1 Nr. 2 BewG. Wenn die Abgabe einer Feststellungserklärung von der "Erbengemeinschaft" verlangt wurde (§ 153 Abs. 2 Satz 1 BewG), ist hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sich dieses Verlangen an alle Miterben richtet. Allein die Tatsache einer solchen Aufforderung genügt; Bedenken gegen ihre Rechtswirksamkeit sind insoweit unerheblich (s. Anm. 14 f.).

 

Rz. 49.1

 

Beachten Sie:

Jedenfalls für Bewertungsstichtage nach dem 30.6.2011 sind die Miterben, da Steuerschuldner der Erbschaftsteuer, auch nach § 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG Beteiligte des Bedarfsbewertungsverfahrens. Dies scheint die Finanzverwaltung allerdings anders zu sehen. Sie bezeichnet, leider insoweit ohne nachvollziehbare Begründung, die Erbengemeinschaft als Steuerschuldner (s. auch § 154 BewG Anm. 21, 60).[20]

 

Rz. 50

[Autor/Stand] Deshalb können stets alle Miterben sie "in Erbengemeinschaft" betreffende Bedarfswertfeststellungsbescheide nach § 155 Satz 1 BewG anfechten. Doch wird man nun differenzieren (s. Anm. 31 ff.):

  • Grundbesitz betreffende Erwerbsvorgänge nach dem 31.12.1995 und vor dem 1.1.2007: § 352 AO/§ 48 FGO gelten uneingeschränkt. Grundsätzlich können nur nach diesen Normen einspruchs- bzw. klagebefugte Personen rechtswirksam für die Miterben handeln.
  • Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2006 und vor dem 1.1.2009: § 352 AO/§ 48 FGO gelten nicht. Konsequent ist jeder Miterbe allein rechtsbehelfsbefugt. Allerdings kommt dann wohl eine Hinzuziehung/Beiladung der anderen Miterben in Betracht.[22]
  • Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008: Nicht nur § 352 AO/§ 48 FGO, sondern auch § 183 AO gelten entsprechend (§ 154 Abs. 3 BewG). Damit müssen Einsprüche bzw. Klagen gegen einschlägige Bedarfsbewertungsbescheide grundsätzlich durch vertretungsbefugte Personen, hilfsweise Empfangsbevollmächtigte, erhoben werden.[23] Man darf gespannt sein, ob und wie dann eine Erbengemeinschaft, in Ermangelung eines gesetzlichen Vertreters zivilrechtlich durch die Miterben handelnd, als deren gesetzliche Vertreterin verfahrensrechtlich wirksame Erklärungen abgeben kann.[24]
 

Beachten Sie:

Für unbekannte Miterben muss ein Nachlasspfleger handeln.[25]

 

Rz. 51

[Autor/Stand] Der II. BFH-Senat ist mit der in § 155 Satz 2 Bew...

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