Keine Gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber einem Vermächtnisnehmer
Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder - bei mehreren - den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen. Ergeht ein eigenständiger Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert gegenüber einem Vermächtnisnehmer, ist dieser fehlerhaft, aber nicht unwirksam. Ein solcher Bescheid kann in Bestandskraft erwachsen.
Hintergrund: Getrennte Feststellungsbescheide gegenüber dem Erben und den Vermächtnisnehmern
Der 2012 verstorbene Erblasser (E) hatte einen Sohn (S1) als Alleinerben eingesetzt. Zugunsten des anderen Sohns (S2) und der beiden Töchter hatte er Vermächtnisse ausgesetzt. Ein zum Nachlass gehörendes Grundstück sollte zu gleichen Teilen auf die drei Vermächtnisnehmer übergehen.
Mit insgesamt 4 Bescheiden über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts stellte das FA den Bedarfswert des Grundstücks auf rund 390.000 EUR fest. Ein Bescheid war an den Erben (S1) gerichtet, dem ein Anteil von 1/1 zugerechnet wurde. Die anderen Bescheide enthielten als Inhaltsadressaten jeweils die drei Vermächtnisnehmer, denen jeweils ein Anteil von 1/3 zugerechnet wurde.
Dagegen legte der Bevollmächtigte Einspruch ein und gab an, das Grundstück sei inzwischen für 365.000 EUR veräußert worden. Das FA änderte daraufhin den Bescheid gegenüber S1 entsprechend und teilte mit, die gegenüber den Vermächtnisnehmern bekannt gegebenen Bescheide seien bereits bestandskräftig. Insoweit bleibe es bei den festgestellten höheren Werten. Denn aus dem Einspruchsschreiben ergebe sich, dass lediglich für S1, nicht auch für die Vermächtnisnehmer Einspruch eingelegt werden sollte. Dementsprechend wies das FA den Einspruch des S2 als unzulässig zurück.
Der auf Aufhebung des ihm gegenüber erlassenen Feststellungsbescheids gerichteten Klage des S2 gab das FG (ohne auf die Zulässigkeit des Einspruchs einzugehen) statt. Der Bescheid sei mangels inhaltlicher Bestimmtheit nichtig (§ 125 Abs. 1 AO). S2 sei in dem Bescheid als Inhaltsadressat benannt. Zutreffender Inhaltsadressat des Feststellungsbescheids sei jedoch der Erbe (S1) als Erwerber des Grundbesitzes, nicht der Vermächtnisnehmer. Dieser sei als Inhaber des schuldrechtlichen Anspruchs an dem Feststellungsverfahren lediglich zu beteiligen. Ihm gegenüber könne kein eigener Feststellungsbescheid ergehen.
Entscheidung: Rechtswidriger aber gleichwohl wirksamer Bescheid
Der BFH widerspricht dem FG. Die Klage wurde abgewiesen. Der angefochtene Feststellungsbescheid (gegenüber S2) ist weder unbestimmt noch aus anderen Gründen unwirksam.
Vermächtnisnehmer sind Beteiligte des Feststellungsverfahrens
Ist Gegenstand des Sachvermächtnisses ein nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert zu bewertendes, zum Nachlass gehörendes Grundstück, sind die Vermächtnisnehmer wie Erben und Miterben ebenfalls am Feststellungsverfahren beteiligt. Das folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG, denn die Vermächtnisnehmer schulden nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die ErbSt für die die Wertfeststellung von Bedeutung ist. Die Wertfeststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG ist für die Besteuerung des Vermächtnisnehmers von Bedeutung. Denn der festgestellte Grundbesitzwert ist bei der Besteuerung dessen Erwerbs durch Vermächtnis zugrunde zu legen. Zwar liegt bei einem Sachvermächtnis der Erwerb des Vermächtnisnehmers nicht in dem vermachten Gegenstand, sondern in dem schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben. Gleichwohl ist dieser Anspruch für Zwecke der ErbSt nach dem Steuerwert des vermachten Gegenstands zu bewerten (BFH v. 13.8.2008, II R 7/07, BStBl II 2008, 982).
Keine eigene gesonderte Feststellung gegenüber den Vermächtnisnehmern
Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder (bei mehreren) den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen. Die Beteiligung der Vermächtnisnehmer nach § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG spricht gerade gegen eine solche gesonderte Feststellung allein gegenüber den Vermächtnisnehmern. Der BFH folgt insoweit ausdrücklich nicht der Ansicht der Finanzverwaltung, die eine gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber dem Vermächtnisnehmer vorsieht (Abschn. R B 151.2 Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 ErbStR 2019).
Wirksamkeit eines fälschlich gegenüber dem Vermächtnisnehmer ergangenen Feststellungsbescheids
Von der Frage, ob eine eigene gesonderte Feststellung gegenüber dem Vermächtnisnehmer ergehen kann, ist die Frage zu unterscheiden, ob ein solcher Bescheid unwirksam ist. Lässt sich dem Bescheid zweifelsfrei entnehmen, was wem gegenüber festgestellt wird, liegt kein zur Nichtigkeit führender schwerwiegender Mangel i.S.v. § 125 AO vor. Dass ein solcher Bescheid die übrigen Feststellungsbeteiligten, insbesondere den Erben, nicht einschließt, macht ihn nicht nichtig. Er bleibt wirksam. Ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist nicht deswegen nichtig, weil er nicht alle Feststellungsbeteiligten enthält (BFH v. 24.10.1996, IV R 50/95, BFH/NV 1997, 331).
Wirksamkeit des Feststellungsbescheids an S2
Hiervon ausgehend ist der von S2 angefochtene Feststellungsbescheid wirksam. Der Wert hätte zwar nicht allein gegenüber S2 als Vermächtnisnehmer festgestellt werden dürfen. Vielmehr hätte S2 als Vermächtnisnehmer am Verfahren über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts nach § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG beteiligt werden müssen. Der fälschlicherweise gegen ihn ergangene Bescheid ist jedoch nicht aufzuheben. Er ist wirksam und auch bestandskräftig, da er nicht rechtzeitig von S2 angefochten wurde. In dem Einspruchsschreiben ist ausdrücklich nur S1 als Erben die Rede. Aus dem Umstand, dass S1 (der Erbe) zugleich als Testamentsvollstrecker agierte, folgt nichts anderes.
Hinweis: Abweichung von der Verwaltungspraxis
Die Verwaltung sieht in Abschn. R B 151.2 Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 ErbStR 2019 eine eigenständige gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber dem Vermächtnisnehmer vor (Abschn. R B 151.2 Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 ErbStR 2019). Diese Praxis kann zwar in Einzelfällen zu einer Erleichterung führen, birgt jedoch die Gefahr unterschiedlicher Wertfeststellungen. Das soll durch § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 154 BewG, wonach mehrere Feststellungsbeteiligte an dem (einen) Wertfeststellungsverfahren zu beteiligen sind, gerade vermieden werden. Für eine eigenständige gesonderte Feststellung besteht keine Rechtsgrundlage. Gleichwohl ergehende Bescheide sind aber nicht nichtig, sondern wirksam und können in Bestandskraft erwachsen.
BFH Urteil vom 06.05.2021 - II R 34/18 (veröffentlicht am 12.08.2021)
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