Rz. 38

[Autor/Stand] Sind nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten, die die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes wesentlich verlängert haben, ist von einer der Verlängerung entsprechenden Restnutzungsdauer auszugehen.

 

Rz. 39

[Autor/Stand] Die Regelung des § 253 Abs. 2 Satz 4 BewG ist innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens kontrovers diskutiert worden. Angesichts der zahlreichen und auch umfassenden Typisierungen bei der Ermittlung des Grundsteuerwerts erscheint die Regelung kleinteilig. Sie erfordert die Berücksichtigung von Veränderungen, die nach Bezugsfertigkeit des Gebäudes eingetreten sind und die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes wesentlich verlängert haben.

 

Rz. 40

[Autor/Stand] Da der Gesetzgeber die Regelung auf die "wirtschaftliche" Gesamtnutzungsdauer bezieht, wurde innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens befürchtet, dass auch bloße Modernisierungen innerhalb von zehn Jahren vor dem Bewertungsstichtag – wie bei der Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes – bei der Ermittlung des Grundsteuerwerts zu erfassen sind. Ausweislich der Gesetzesbegründung[4] soll eine Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer jedoch nur bei Kernsanierungen berücksichtigt werden.

 

Rz. 41

[Autor/Stand] Der Bundesrat[6] hielt dagegen die Berücksichtigung solcher das Gebäudealter verlängernder oder verkürzender Umstände – wie beispielsweise eine Kernsanierung oder eine Abbruchverpflichtung – für einen nicht zu rechtfertigen bürokratischen und administrativen Aufwand. Denn betroffene Eigentümerinnen und Eigentümer müssten in den Feststellungserklärungen entsprechende Zusatzangaben machen, zum Beispiel zum Umfang erfolgter Sanierungen, um zu beurteilen, ob hierdurch eine Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer eingetreten sei. Auch in Anbetracht der vermutlich sehr geringen Anzahl von Fällen, in denen diese Berücksichtigung steuerrelevant wäre, sei – so der Bundesrat – eine solche Verkomplizierung des Bewertungsverfahrens abzulehnen.

 

Rz. 42

[Autor/Stand] Die Kritik des Bundesrats war m.E. überzeugend. Denn bereits bei der Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer, bei der der gemeine Wert die Zielgröße der Bewertung ist, werden nur in seltenen Ausnahmefällen die detaillierten Fragen zum Umfang von Modernisierungsmaßnahmen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Bewertungsstichtag durchgeführt wurden, beantwortet. Dabei liegt auf der Hand, dass laufende Modernisierungsarbeiten wesentlich häufiger ausgeführt werden als durchgreifende Kernsanierungen. Wenn schon Modernisierungsarbeiten nur in seltenen Fällen in der Feststellungserklärung erklärt werden, dürften Kernsanierungen in der Praxis erst recht einen seltenen Ausnahmefall bilden, der im Rahmen der Typisierung des Bewertungsverfahrens zu vernachlässigen gewesen wäre.

 

Rz. 43

[Autor/Stand] Zwar fordert das Bundesverfassungsgericht die Abbildung von realitätsnahen Relationen bei der Bewertung. Diese müssen jedoch den typischen Regelfall und nicht den Ausnahmefall abbilden. Wenn der Gesetzgeber den Mut gefunden hat, aus Vereinfachungsgründen auf den Ansatz der tatsächlich vereinbarten Miete zugunsten einer gesetzlich festgelegten Listenmiete zu verzichten, liegt insoweit eine derart umfassende Pauschalierung vor, dass für die Berücksichtigung von Kernsanierungen keine überzeugende Notwendigkeit gesehen werden kann.

 

Rz. 44

[Autor/Stand] Dies gilt umso mehr, weil der Gesetzgeber einseitig zu Ungunsten der Eigentümerinnen und Eigentümer vorgeht. Denn innerhalb der Ermittlung des Grundsteuerwerts kann nur die Verlängerung, nicht jedoch – abgesehen von der nur in seltenen Fällen vorliegenden Abbruchverpflichtung – die Verkürzung der Lebensdauer, wie beispielsweise bei einem Schaden aufgrund eines Naturereignisses, berücksichtigt werden.

 

Rz. 45

[Autor/Stand] Zudem stellt sich die Frage, zu welcher konkreten Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer eine Kernsanierung führen soll. Insoweit schweigt sich der Gesetzgeber aus.

 

Rz. 46

[Autor/Stand] Bloße Modernisierungsarbeiten führen nicht zu einer Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer. Hiervon ist beispielsweise bei Baumaßnahmen auszugehen, die nur den Ausbau betreffen, wie beispielsweise:

  • Modernisierung der Heizung
  • Austausch von Fenstern
  • Modernisierung von Sanitäreinrichtungen
 

Rz. 47

[Autor/Stand] Von einer Kernsanierung, die zu einer Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes führt, ist dagegen bei Baumaßnahmen auszugehen, die den Rohbau betreffen, wie beispielsweise:

  • (teilweise) Erneuerung des Rohbaus
  • Erneuerung von Fundamenten
  • Austausch von tragenden Innenwänden
  • Austausch von tragenden Außenwänden
  • Erneuerung von Treppen
  • Ersatz der Dachkonstruktion
  • Ersatz von Geschossdecken
 

Rz. 48

[Autor/Stand] Sofern bauliche Maßnahmen an nicht tragenden Bauteilen vorgenommen werden, führt dieses diese allein nicht zu einer wesentlic...

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