Hans-Werner Högl, Friedemann Kirschstein
Rz. 54
Zivilrechtlich i.d.R. erloschene Rechtsverhältnisse wegen Zusammentreffens der Gläubiger- und Schuldnerstellung in einer Person bzw. der Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person (sog. Konfusion – z.B. Sohn leiht seinem Vater vor dem Tode 10.000 EUR und wird dessen Alleinerbe) – oder wegen der Vereinigung von Recht und Belastung bei einem beschränkt dinglichen Recht mit dem Eigentum in einer Hand (sog. Konsolidation, z.B. § 1063 BGB) gelten gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen. Wegen des Eintritts des Erbfalls erfolgt auch keine Berichtigung des Kapitalwerts nach §§ 13 Abs. 3, 14 Abs. 2 BewG.
Trotz der Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG, der auch für Schenkungen gilt (s. § 1 Abs. 2 ErbStG), ist der Vorerwerb einer unverzinslichen lebenslänglichen gestundeten Zugewinnausgleichsforderung beim Tod des ausgleichsberechtigten Ehegatten beim ausgleichsverpflichteten Erben als Alleinerbe nach § 14 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BewG zu berichtigen.
Ist ein Pflichtteilsberechtigter Alleinerbe des Verpflichteten, bleibt erbschaftsteuerrechtlich trotz des zivilrechtlichen Erlöschens des Pflichtteilsanspruchs sein Recht zur Geltendmachung des Pflichtteils bestehen, d.h., er kann laut BFH-Urteil vom 19.2.2013 diesen Anspruch als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abziehen, sofern der Anspruch noch nicht bereits beim Tod des Verpflichteten oder bei der (fiktiven) Nachholung der Geltendmachung gegenüber dem Finanzamt verjährt war.
Mit Urteilen vom 5.2.2020 hat der BFH nun klargestellt, dass die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG nur gilt, wenn der zivilrechtlich durch Konfusion erloschene Anspruch im Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs noch nicht verjährt gewesen wäre (s.a. Rz. 108 ff.).
Erbt der Nießbrauchsberechtigte das belastete Grundstück, so tritt nach § 889 BGB keine Konsolidation ein. Er kann die Nießbrauchslast mit ihrem Kapitalwert entsprechend seinem Lebensalter im Zeitpunkt des Erwerbs abziehen.
Rz. 55
§ 10 Abs. 3 ErbStG gilt nicht, falls ein auflösend bedingter Anspruch wegen Eintritts der auflösenden Bedingung erlischt, z.B., wenn eine Leibrente oder ein Nutzungsrecht des Erblassers mit dessen Tode erlischt (§ 1061 BGB). Erlischt ein Nießbrauchsrecht einem Grundstück aufgrund des Eigentumserwerbs des ursprünglich Nießbrauchsberechtigten (Vorbehaltsnießbraucher), so ist der Nießbrauch für die Berechnung des Wertes eines Pflichtteilanspruchs nicht als erloschen zu behandeln, sondern wertmindernd zu berücksichtigen.
Rz. 56– 57
Einstweilen frei.