Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 183
Die Ermittlung des gemeinen Werts von ausländischen Unternehmen ist in der Praxis schon immer besonders problematisch gewesen. Dies liegt zweifellos in erster Linie an der Tatsache, dass die Sachverhaltsermittlung im Ausland schwieriger ist. Auch wenn der Steuerzahler erhöhten Mitwirkungspflichten unterliegt, ändert sich daran wenig.
Rz. 184
Dennoch geht die Finanzverwaltung davon aus, dass eine Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens auch bei der Bewertung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften oder ausländischem Betriebsvermögen möglich ist. Die unmittelbare Anwendung wird in der Praxis jedoch regelmäßig ausscheiden. Denn bei der Ermittlung der maßgebenden Betriebsergebnisse zur Herleitung des für den zukünftig nachhaltig zu erzielenden Jahresertrag maßgebenden Durchschnittsertrags ist vom Gewinn i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes auszugehen (§ 202 Abs. 1 Satz 1 BewG). Dieser dürfte bei ausländischen Gesellschaften und ausländischem Betriebsvermögen kaum unmittelbar vorliegen.
Rz. 185
Bereits aus diesem Grund kommt eine unmittelbare Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens bei ausländischen Gesellschaften und ausländischem Betriebsvermögen allenfalls ausnahmsweise in Betracht.
Rz. 186
Gegen eine sinngemäße Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens dürften jedoch keine Bedenken bestehen. Bei der Ermittlung des zukünftig nachhaltig zu erzielenden Jahresertrags wird im konkreten Einzelfall zu ermitteln sein, welche Ausgangswerte zur Ermittlung der Betriebsergebnisse maßgebend sind.
Rz. 187
Ferner muss bei ausländischen Gesellschaften und ausländischem Betriebsvermögen geprüft werden, ob der nach § 203 BewG maßgebende Kapitalisierungsfaktor übernommen werden kann. Sofern insoweit offensichtlich unzutreffende Ergebnisse zu erwarten sind, darf der Kapitalisierungsfaktor des vereinfachten Ertragswertverfahrens nicht angesetzt werden. Allerdings ist offen, ob die Finanzverwaltung eine Anpassung des Kapitalisierungsfaktors akzeptiert oder ob sie die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens in diesem Fall gänzlich ausschließt. M.E. müsste eine Anpassung des Kapitalisierungsfaktors zulässig sein, weil bereits die Basisverzinsung im Ausland von dem Basiszins abweichen kann, der für Bewertungsstichtage vor dem 1.7.2016 vom Bundesfinanzministerium jährlich im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde. Allerdings spricht die gesetzliche Festlegung auf einen starren Kapitalisierungsfaktor für Bewertungsstichtage nach dem 30.6.2016 dagegen, weil der Gesetzgeber mit dieser Festlegung eine noch stärkere Pauschalierung der steuerlichen Unternehmensbewertung hinnimmt. Die Entscheidung wird wesentlich von den konkreten Verhältnissen im Einzelfall abhängig sein.
Rz. 188
R B 199.2 ErbStR 2011 nimmt hierzu wie folgt Stellung:
Abschnitt 24. Ausländische Kapitalgesellschaften und ausländisches Betriebsvermögen
1Auch bei der Bewertung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften oder ausländischem Betriebsvermögen kann das vereinfachte Ertragswertverfahren angewendet werden. 2Die Ermittlung der Bewertungsgrundlagen hat in der jeweiligen Landeswährung zu erfolgen, der in dieser Währung ermittelte Ertragswert ist mit dem für den Bewertungsstichtag festgestellten Devisenkurs in Euro umzurechnen. 3Der Gewinnermittlung können die im jeweiligen Land geltenden Gewinnermittlungsvorschriften zugrunde gelegt werden, wenn sie eine dem § 202 Absatz 1 Satz 2 BewG entsprechende Korrektur zulassen. 4Der nach § 203 BewG maßgebende Kapitalisierungsfaktor ist anzuwenden, wenn dies nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt.
Rz. 189– 190
Einstweilen frei.