Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 75
Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Wert von selbständig nutzbaren Teilflächen von der Abzinsung auszuschließen, ist kritisch zu beurteilen. Insoweit handelt es sich um eine aufwendige und kleinteilige Regelung, die nur in seltenen Fällen angewendet werden wird, aber in jedem einzelnen Fall geprüft werden muss. Zudem ist die Definition des Begriffs einer "selbständig nutzbaren Teilfläche" dürftig, so dass die Finanzverwaltung bei einer gerichtlichen Überprüfung der die Steuerpflichtigen benachteiligenden Regelung wegen der mangelnden Konkretisierung der Rechtsnorm scheitern dürfte.
Rz. 76
Im Gesetzgebungsverfahren hatte sich bereits der Bundesrat in seiner Stellungnahme gegen die Regelung ausgesprochen. Zur Begründung führte der Bundesrat zutreffend aus, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Abgrenzung und gesonderte Behandlung von selbständig nutzbaren Teilflächen eines Grundstücks bei der Bewertung der betreffenden Grundstücke zu erheblichen Schwierigkeiten und Streitpotenzial führe. Dies schon deshalb, weil weder der Gesetzestext noch die Gesetzesbegründung die Kriterien für die Annahme einer selbständig nutzbaren oder verwertbaren Teilfläche eines Grundstücks nenne. Die Regelung sei für die Rechtsanwender zu unbestimmt. Zudem sei die Regelung aus der Sicht des Bundesrats auch vor dem Hintergrund entbehrlich, als die Mindestwertregelung nach § 251 gewährleiste, dass bei bebauten Grundstücken der Wert des Grund und Bodens abzüglich der Freilegungskosten nicht unterschritten wird. Deshalb bedürfe es keiner zusätzlichen, schwer handhabbaren mindestwertähnlichen Regelung für Teilflächen im vereinfachten Ertragswertverfahren
Rz. 77
Die Bundesregierung hat den Vorschlag jedoch abgelehnt, weil er die realitäts- und relationsgerechte Bewertung einschränke. Vielmehr müsse der Bodenwert von selbstständig nutzbaren Teilflächen im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens gesondert zu berücksichtigen werden. Insb. sei diese Teilfläche nicht in die Abzinsung des Bodenwerts über die wirtschaftliche Restnutzungsdauer des Gebäudes einzubeziehen.
Rz. 78
Zudem hat die Bundesregierung den entstehenden Verwaltungs- und Bürokratieaufwand als vertretbar angesehen, weil die Fallgestaltungen nur in einer geringen Anzahl auftreten.
Rz. 79
Genau hier sehe ich eine Fehleinschätzung. Gerade wenn Fälle in der Praxis nur selten auftreten, sollte davon abgesehen werden, streitanfällige Regelungen zu schaffen, deren Auswirkung in der Summe marginal ist. Das gilt erst recht, wenn man die groben Pauschalierungen – namentlich beim Ansatz der Listenmieten – betrachtet, die im Übrigen bei der Ermittlung des Grundsteuerwerts gelten. Letztlich darf nicht übersehen werden, dass auch eine nur selten anzuwendende Regelung in jedem Einzelfall geprüft werden muss.
Rz. 80
Inhaltlich ist die Regelung nicht zu kritisieren, weil ein Grundstück mit einer "selbständig verwertbaren Teilfläche" einen entsprechend höheren Wert hat. Jedoch kann dies allenfalls bei einer individuellen Bewertung durch Sachverständige berücksichtigt und nicht bei dem Massenverfahren der Ermittlung der Grundsteuerwerte werden.
Rz. 81
Im Ergebnis darf auch nicht übersehen werden, dass die zutreffende Bewertung immer dann realisiert wird, wenn selbständig verwertbare Teilflächen als gesonderte wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 BewG anzusehen und zu bewerten sind. In diesen Fällen dürfte jedoch regelmäßig die selbständige Verwertungsmöglichkeit im Sinne einer Veräußerungsfähigkeit der Teilfläche gegeben sein und damit eine separate wirtschaftliche Einheit vorliegen.
Rz. 82
Für die Entscheidung, ob eine Teilfläche selbständig nutzbar ist, kann in der Praxis die Formulierung der Gesetzesbegründung richtungsweisend sein, wonach der Wert selbständig nutzbarer Teilflächen i.S.d. Absatzes 3 zu korrigieren ist, "soweit diese nicht ohnehin eine gesonderte wirtschaftliche Einheit bilden und gesondert bewertet werden." Damit wird die Regelung nur in den seltenen Ausnahmefällen anwendbar sein, wenn der Teilfläche die faktisch die Qualität einer eigenständigen wirtschaftlichen Einheit aufweist, die Voraussetzungen des § 2 BewG jedoch (noch) nicht vollständig erfüllt sind.
Rz. 83
Wenig hilfreich erscheint die Gesetzesbegründung zu § 257 Abs. 3 BewG sein. Dort wird hinsichtlich des Begriffs der selbständig nutzbaren Teilfläche auf den zum Zeitpunkt der Verabschiedung des § 257 BewG maßgebenden § 17 Abs. 2 Satz 2 ImmoWertV 2010 verwiesen. Allerdings ergibt sich aus auf § 17 Abs. 2 Satz 2 ImmoWertV 2010 keine über § 257 Abs. 3 BewG hinausgehende Beschreibung. Vielmehr ist lediglich der Wortlaut des § 17 Absatz 2 Satz 2 ImmoWertV 2010 in § 257 Abs. 3 BewG übernommen worden.
Rz. 84– 86
Einstweilen frei.