Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
A. Grundaussagen und Anwendungszeitpunkt
Rz. 1
Die Vorschrift des § 174 BewG, die durch das Erbschaftsteuerreformgesetz neu in das Bewertungsgesetz eingefügt worden ist, bestimmt einen abweichenden Bewertungsstichtag für bestimmte gärtnerische Nutzungen in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Der Regelungsinhalt bezieht sich allerdings nur auf die Bewirtschaftungsverhältnisse beim Anbau von Baumschulgewächsen sowie dem Anbau von Gemüse, Blumen und Zierpflanzen. Die Vorschrift entspricht in den Absätzen 1 und 2 dem für die Einheitsbewertung geltenden § 59 BewG. Lediglich Absatz 3 ist vom Regelungsinhalt her neu.
Rz. 2
Die ursprünglich nur für die Erbschaftsteuer konzipierte Vorschrift ist nach Umsetzung einer Entscheidung des BVerfG durch Art. 8 des Steueränderungsgesetzes 2015 auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer für alle nach dem 31.12.2008 verwirklichten Erwerbsvorgänge anzuwenden (§§ 8 Abs. 2, 23 Abs. 14 GrEStG).
Rz. 3
Die Vorschrift dient der Bewertungserleichterung, da sich die Bewirtschaftungsverhältnisse zu bestimmten Stichtagen besser ermitteln lassen als zum eigentlichen Bewertungsstichtag. Generell gilt jedoch, dass die für den Anbau von Baumschulgewächsen genutzte Betriebsfläche und die Anbaufläche für Gemüse, Blumen und Zierpflanzen nach § 161 Abs. 1 BewG zu ermitteln sind (vgl. dazu § 161 BewG Anm. 7 ff.). Der abweichende Bewertungsstichtag bezieht sich somit ausschließlich auf die Bewirtschaftungsverhältnisse. Durch die Festlegung auf einen bestimmten Stichtag verfolgt § 174 BewG nicht zuletzt auch den Zweck, Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten zu verhindern. So wird durch die Vorschrift sichergestellt, dass für das Besteuerungsverfahren eine einheitliche Grundlage geschaffen wird und insbesondere verhindert, dass bei der Übertragung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft durch eine optimierte Terminswahl steuerliche Vorteile entstehen.
B. Baumschulengewächse (Abs. 1)
Rz. 4
Beim Anbau von Baumschulgewächsen ist nach § 174 Abs. 1 BewG der dem Bewertungsstichtag vorangegangene 15. September ausschlaggebend. Dieser Stichtag entspricht der auch im § 59 BewG gefundenen Terminierung und berücksichtigt den Beginn der Herbstrodungen in Baumschulbetrieben. Diese Regelung verhindert, dass bei regulären Bewertungsstichtagen, die auf Zeiten entfallen, in denen die dem Anbau von Baumschulgewächsen dienenden Flächen gerodet oder mit kurzlebigen Zwischenkulturen besetzt sind, die geringeren Werte für eine landwirtschaftlich genutzte Fläche zur Anwendung kommen.
C. Gemüse, Blumen und Zierpflanzen (Abs. 2)
Rz. 5
Dies gilt im gleichen Maße auch für Betriebe, die Gemüse, Blumen und Zierpflanzen anbauen. Auch hier führt die über § 174 Abs. 2 BewG vorgenommene Festlegung des Stichtages auf den 30. Juni zu einer eindeutigeren Beurteilung der Bewirtschaftungsverhältnisse und blendet die besonderen Verhältnisse am regulären Bewertungsstichtag aus. Da z.B. nur wenige Gemüsearten Ganzjahreskulturen erlauben, werden außerhalb der regulären Kulturzeit auf den Gemüseanbauflächen andere schnell wachsende Anpflanzungen vorgenommen, die je nach Bewertungsstichtag das Ergebnis verfälschen können.
D. Auffangtatbestand (Abs. 3)
Rz. 6
§ 174 Abs. 3 BewG stellt einen Auffangtatbestand dar. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass zwischen den besonderen Stichtagen der Absätze 1 und 2 des § 174 BewG und dem regulären Bewertungsstichtag des § 161 Abs. 1 BewG Flächenzugänge erfolgen können, deren Nutzung zu den abweichenden Bewertungsstichtagen nicht beurteilt werden kann. In diesen Fällen sind die Bewirtschaftungsverhältnisse nach der vorgesehenen Nutzung zu ermitteln. Entsprechend richtet sich die Einordnung der Zugangsfläche nach der Absicht des Erwerbers. Das gilt auch in den Fällen, in denen innerhalb des vorgenannten Zeitraumes eine wesentliche Nutzungsänderung erfolgt. Diese ist z.B. dann gegeben, wenn eine ehemalige Freifläche mit neuen Anlagen aus Kunststoff oder Glas versehen wird und damit deutlich ertragreicher zu bewirtschaften ist.
Rz. 7
Schwierigkeiten können sich hier allerdings dann ergeben, wenn der Erwerber bereits kurz nach dem Erwerb verstirbt und nicht klar erkennbar ist, wie die erworbenen Flächen von ihm genutzt werden sollten. In diesen Fällen muss im Rahmen der Bewertung zuerst geklärt werden, welche Nutzung unter Berücksichtigung der bisherigen Ausrichtung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, der Lage der erworbenen Flächen zum Betrieb und der spezifischen Eignung der Zugangsflächen für eine bestimmte ...