Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
A. Vorbemerkung
Rz. 1
Vorschriften zur Erfassung und zur Bewertung eines Erbbaurechts haben alle bisherigen BewG enthalten (vgl. § 34 Abs. 2 RBewG 1925, § 54 Abs. 2 RBewG 1931, § 50 Abs. 1 Satz 3 u. Absatz 2 RBewG 1934 i.V.m.. § 46 BewDB 1935, § 68 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m.. § 70 Abs. 1 BewG 1965). Die bis 2024 geltende Vorschrift zum Erbbaurecht enthält § 92 BewG, der durch das BewG-ÄndG v. 13.8.1965 in das BewG eingefügt wurde, wobei gleichzeitig § 46 BewDV außer Kraft gesetzt worden ist (Art. 9 Abs. 2 BewG-ÄndG 1965).
Rz. 2
Wie im bürgerlichen Recht wird das Erbbaurecht auch im Bewertungsrecht im Wesentlichen dem Grundstück gleichgestellt und damit als selbstständige wirtschaftliche Einheit behandelt. Bei Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht bestehen deshalb zwei wirtschaftliche Einheiten: diejenige des Grund und Bodens und diejenige des Erbbaurechts einschließlich des aufgrund dieses Rechts errichteten Gebäudes (vgl. auch § 68 BewG). Unter der Geltungsdauer des BewG 1934 war umstritten, ob bei Bestellung eines Erbbaurechts nur eine oder zwei wirtschaftliche Einheiten bestehen. Die damalige Auffassung, es bestehe nur eine wirtschaftliche Einheit, wurde ua. darauf gestützt, dass der Erbbauberechtigte nicht als Eigenbesitzer und wirtschaftlicher Eigentümer des Grund und Bodens anzusehen sei. Auch der in § 46 BewDV aF wiederholt gebrauchte Ausdruck "zuzurechnen" hat zu der Annahme mit beigetragen, es bestehe nur eine wirtschaftliche Einheit. Der RFH entschied mit Urteil vom 25.2.1943, dass die sich je nach der Dauer des Erbbaurechts ergebenden Anteilsverschiebungen durch Zurechnungsfortschreibungen, die von keinen Wertgrenzen abhängig sind, und nicht etwa durch Wertfortschreibungen, bei denen bestimmte Wertgrenzen bestehen, festgestellt werden sollen. Es wurde somit aus dem Begriff "Zurechnung" fälschlicherweise die Folgerung gezogen, es liege nur eine wirtschaftliche Einheit vor. Deshalb hat der Gesetzgeber im § 92 BewG das Wort "Zurechnung" bewusst vermieden, er gebraucht vielmehr die Worte "entfällt der Gesamtwert auf ..." (Abs. 2) oder "Dabei entfallen" (Abs. 3). Soweit das Wort "zurechnen" verwendet wird, ist damit keine Zurechnung im gesetzestechnischen Sinn (§ 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG, § 179 Abs. 2 AO 1977), sondern eine Zurechnung von Wertanteilen einer wirtschaftlichen Einheit gemeint.
Demgegenüber fasst der Gesetzgeber im neuen Siebenten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes, der für Zwecke der Grundsteuer ab dem 1.1.2025 maßgebend ist, das Erbbaurecht und das dazu gehörende belastete Grundstück zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammen.
Rz. 3
§ 92 BewG bestimmt ausdrücklich, dass bei der Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht zwei wirtschaftliche Einheiten bestehen und deshalb auch tatsächlich zwei Einheitswerte festzustellen sind. Bei der Ermittlung der Einheitswerte ist von einem Gesamtwert für den Grund und Boden einschließlich der Gebäude auszugehen, der je nach der Dauer des Erbbaurechts ganz auf die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechtes entfällt bzw. auf die beiden wirtschaftlichen Einheiten aufzuteilen ist (§ 92 Abs. 1–3 BewG). Die Absätze 4, 6 und 7 des § 92 BewG enthalten das ab 1.1.1964 geltende Recht und behandeln die Frage des Abschlags wegen einer Abbruchsverpflichtung, das Wohnungserbbaurecht und das Teilerbbaurecht sowie die Fortschreibung der Einheitswerte bei Änderung des Gesamtwerts und bei Änderung des Verteilungsschlüssels. Der Absatz 7 ist durch Art. 3 Nr. 10 BewGÄndG 1971 neu gefasst worden. Abs. 5 des § 92 BewG entspricht dem früheren § 46 Abs. 4 BewDV.
Rz. 4
Das FG Hamburg hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 92 BewG, der abweichend vom Zivilrecht das Erbbaurecht und den Erbbauzinsanspruch getrennt bewertet, dem Grundgesetz entspreche. Der BFH hat auf Beschwerde gegen eine Entscheidung des FG München eine Revision nicht zugelassen, mit der geltend gemacht wurde, es verstoße gegen das Grundgesetz, dass § 92 BewG Erbbaurechte nicht wie Miet- oder Pachtverhältnisse behandle. Der BFH ist der Auffassung, dass dies eine rechtspolitische Entscheidung sei, die vom Gesetzgeber innerhalb des Rahmens des Grundgesetzes nach seinem Ermessen getroffen werden könne. Die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Denn für die Trennung von Grundstück und Erbbaurecht einerseits und Erbbaurechtszinsanspruch und Erbbauzinsverpflichtung andererseits bestehen sachliche Gründe. Bei einer Laufzeit von mindestens 50 Jahren verdrängt das Erbbaurecht das Eigentum am Grund und Boden. Der Gesetzgeber ist deshalb von Verfassungs wegen nicht gehindert, den Erbbauzinsanspruch neben dem Einheitswert des Grundstücks gesondert zu erfassen und den Erbbauzinsanspruch wie ein Entgelt für den Erwerb eines Grundstücks auf Zeit zu behandeln. Weitere Verfassungsbeschwerden mit dem gleichen Ziel hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen.
Rz. 5
Zur bewertungsrechtlichen Behandlung von Erbbaurechtsverhältnissen ...