Leitsatz
Sachzuwendungen eines Kreditinstituts an seine Privatkunden, die der Pflege der Geschäftsbeziehung dienen, führen nicht zur Pauschalversteuerung nach § 37b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes.
Normenkette
§ 37b Abs. 1, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 bis 3 EStG, § 118 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt ein Kreditinstitut. Sie lud von ihrem Vorstand betreute, vermögende Privatkunden zu zwei Veranstaltungen – einer Schifffahrt mit Weinprobe und einem Golfturnier – ein. Konkrete Produkte wurden bei diesen Veranstaltungen nicht beworben. Auch die Einladungen enthielten keinen Hinweis auf eine bestimmte Geldanlage oder mögliche Beratungsgespräche. Alle eingeladenen Privatkunden unterhielten bei der Klägerin zumindest ein Spar- und/oder Girokonto. Teilweise hatten diese Privatkunden über die Klägerin auch in ganz unterschiedliche Wertpapiere (Aktien, Investmentanteile, Schuldverschreibungen) investiert. Etwa 20 % der Privatkunden hatten der Klägerin Kapital für einen festen Zins und eine feste Laufzeit überlassen. Ein geringer Anteil der eingeladenen Privatkunden hatte von der Klägerin auch einen Kredit erhalten.
Die Klägerin unterwarf die Veranstaltungskosten der Pauschalsteuer gemäß § 37b EStG und meldete sie in den LSt-Anmeldungen für Dezember 2012 und Oktober 2015 an. Das FA hob nach Abschluss einer LSt-Außenprüfung den Vorbehalt der Nachprüfung unter anderem für die streitgegenständlichen LSt-Anmeldungen auf. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein, mit dem sie sich gegen die Besteuerung der streitigen Sachzuwendungen wandte.
Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.4.2021, 10 K 577/21, Haufe-Index 14616428, EFG 2021, 1505).
Entscheidung
Die Revision des FA hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Gemäß § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG können Steuerpflichtige die ESt einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden und die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 % erheben; Entsprechendes gilt nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten Geschenke i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG.
2. Die Pauschalierung der ESt nach § 37b EStG erfasst nur solche betrieblich veranlassten Zuwendungen, die bei den Zuwendungsempfängern dem Grunde nach zu einkommensteuerbaren und einkommensteuerpflichtigen Einkünften führen. Denn § 37b EStG begründet keine weitere eigenständige Einkunftsart und keinen sonstigen originären (Einkommen-)Steuertatbestand, sondern stellt lediglich eine besondere pauschalierende Erhebungsform der ESt zur Wahl (z.B. BFH, Urteil vom 7.7.2020, VI R 14/18, BFH/NV 2021, 374, m.w.N.).
3. Nach diesen Maßstäben kommt eine Pauschalierung der ESt für die streitigen Zuwendungen nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStGnicht in Betracht.
a) Zwar waren diese als Marketingmaßnahmen betrieblich veranlasst.
b) Gleichwohl schuldete die Klägerin hierfür keine Pauschalsteuer gemäß § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Denn die von ihr gewährten, betrieblich veranlassten Zuwendungen führten – als einzige in Betracht kommende Einkunftsart – bei den Zuwendungsempfängern nicht zu einkommensteuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen. Ob die streitgegenständlichen Zuwendungen zusätzlich zu einer ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung der Klägerin erbracht wurden, kann der Senat daher offenlassen.
c) Ob eine Vermögensmehrung als Einnahme bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzusetzen ist, bestimmt sich nach dem Veranlassungsprinzip (s. z.B. BFH, Beschluss vom 16.12.2008, VIII B 29/07, BFH/NV 2009, 574). Auf die Bezeichnung der Erträge kommt es nicht an. Vielmehr gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung oder Veräußerungsgewinne sind. Dabei ist grundsätzlich jede einzelne Kapitalanlage als gesonderte Einkunftsquelle zu betrachten und deren Einnahmen und Ausgaben getrennt zu erfassen.
4. Im Streitfall haben die Privatkunden zwar im Rahmen von Spar-, Girokonto- und Festgeldverträgen sowie durch den Erwerb von Aktien, Investmentanteilen oder Schuldverschreibungen Kapital an die Klägerin beziehungsweise an Dritte überlassen und aus diesen Kapitalanlagen Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen können.
a) Die streitigen Sachzuwendungen der Klägerin waren nach der Tatsachenwürdigung des FG aber weder ein durch diese Kapitalanlagen veranlasstes zusätzliches Entgelt noch ein gegebenenfalls vorgezogenes Entgelt für eine geplante künftige Kapitalüberlassung. Vielmehr handelte es sich bei den Veranstaltungen um (Werbe-)Maßnahmen der Kundenpflege und -bindung, welche den Kundenberatern der Klägerin allgemein als "Türöffner" dienten und deren Chancen auf künftige Geschäftsabschlüsse, insbesondere die Vermittlung weiterer Kapitalanlagen auch von Drittanbietern, mit den...