Leitsatz
1. Die Vermutung, dass durch die weitere Berufsausübung eines in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters Interessen der Auftraggeber gefährdet sind, greift auch nach In-Kraft-Treten der InsO ein und kann nur aufgrund außergewöhnlicher Umstände des einzelnen Falls als widerlegt angesehen werden; die in der Rechtsprechung des Senats unter der Geltung der KO aufgestellten Grundsätze gelten insoweit im Wesentlichen fort.
2. § 12 GewO ist auf die Bestellung als Steuerberater auch nicht entsprechend anwendbar.
Normenkette
§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG
Sachverhalt
Ein Steuerberater war nach langjähriger Berufstätigkeit aufgrund fehlgeschlagener Immobiliengeschäfte in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Als er in das Schuldnerverzeichnis aufgenommen wurde und eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgeben musste, hatte er zusammen mit einem anderen Steuerberater eine Steuerberatungsgesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet, deren alleiniger Geschäftsführer der andere wurde; ihm selbst wurde lediglich Prokura erteilt. Er erhielt von der GmbH ein festes Gehalt. Gleichwohl wurde seine Bestellung als Steuerberater nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG widerrufen.
Entscheidung
Der BFH hat die Klage wie schon zuvor das FG für unbegründet gehalten. Das In-Kraft-Treten der InsO habe nichts daran geändert, dass den Beruf des Steuerberaters nur ausüben dürfen soll, wer in geordneten Vermögensverhältnissen lebt. Daran fehle es beim Kläger, weil von Gesetzes wegen vermutet werde, dass er in Vermögensverfall geraten sei und er die daran geknüpfte weitere Vermutung der Gefährdung von Mandanteninteressen nicht habe widerlegen können.
Hinweis
1. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung eines Steuerberaters zu widerrufen, wenn dieser in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Dabei wird ein Vermögensverfall vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder dieser in das vom Insolvenz- oder das vom Vollstreckungsgericht nach § 26 Abs. 2 InsO bzw. nach § 915 ZPO zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen ist. Ein in Vermögensverfall geratener Steuerberater bietet nach der Wertung des Gesetzes nicht die Gewähr dafür, seinen Beruf jederzeit in einer Weise auszuüben, die das in ihn gesetzte Vertrauen des steuerliche Beratung und ggf. Rechtsschutz suchenden Publikums rechtfertigt.
Der Gesetzgeber der InsO hat hieran nichts Grundsätzliches geändert, vielmehr vorgenannte Vorschrift gerade in seinen gesetzgeberischen Willen mit aufgenommen. Die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach einer Wohlverhaltensphase bzw. die generelle Zielsetzung der InsO, zu einer Vermögenskonsolidierung – wenn möglich! – zu gelangen, reichen dem BFH nicht aus, um dem notleidenden Steuerberater einstweilen die Bestellung zu belassen. Ebenso hatte bereits der BGH für den Bereich der Bundesrechtsanwaltsordnung entschieden (vgl. BGH, Beschluss vom 13.3.2000, NJW-RR 2000, 1228).
2. Nur aufgrund außergewöhnlicher Umstände des einzelnen Falls kann die Vermutung der Gefährdung von Mandanteninteressen bei Vermögensverfall als widerlegt angesehen werden. Einen praktischen Anwendungsfall hierfür gibt es so gut wie nicht; insbesondere reicht es nicht aus, dass der Steuerberater lediglich als Angestellter tätig ist, zumal es eine auf die Tätigkeit als Angestellter beschränkte Bestellung nicht gibt.
3.§ 12 GewO hingegen sieht jetzt vor, dass während eines laufenden Insolvenzverfahrens und ggf. während der Überwachung der Erfüllung eines in diesem Verfahren aufgestellten Insolvenzplans solche Vorschriften keine Anwendung finden, die den Widerruf einer Gewerbezulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ermöglichen, welche auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist. Eine "entsprechende"Anwendung dieser Vorschrift auch auf Steuerberater kommt freilich nicht in Betracht.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 4.3.2004, VII R 21/02