Leitsatz
Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 39 EStG entfällt auch dann, wenn die Summe der anderen Einkünfte des Arbeitnehmers deshalb positiv ist, weil innerhalb des Kalenderjahrs von einer geringfügigen zu einer Teil- oder Vollzeiterwerbstätigkeit beim selben Arbeitgeber übergegangen wird.
Normenkette
§ 3 Nr. 39 EStG , § 39a Abs. 6 EStG , § 46 Abs. 2a EStG
Sachverhalt
Bei der ESt-Veranlagung der Kläger wurde Arbeitslohn i.H.v. 4 214 DM einbezogen, den die Klägerin in der Zeit vom 1.4. bis 31.10.1999 im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung bezogen hatte und der aufgrund einer Bescheinigung nach § 39a Abs. 6 EStG gem. § 3 Nr. 39 EStG steuerfrei ausbezahlt worden war.
Das FA versagte die Steuerbefreiung, weil die Klägerin vom 1.11. bis 31.12.1999 – beim selben Arbeitgeber nach Umwandlung in ein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis – weitere 4 168 DM erzielt hatte, die nach Steuerklasse V dem LSt-Abzug unterworfen worden waren. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH wies die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger als unbegründet zurück. Wegen der eindeutigen Rechtslage sei die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht geboten. Der BFH hielt auch die Argumentation der Kläger aus den in den Praxis-Hinweisen angeführten Gründen nicht für zutreffend, unter den Begriff der "anderen Einkünfte" i.S.d. § 3 Nr. 39 EStG könnten Einkünfte aus demselben Beschäftigungsverhältnis beim selben Arbeitgeber nicht subsumiert werden.
Hinweis
1. Nach § 3 Nr. 39 EStG ist das Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV steuerbefreit, wenn der Arbeitgeber nach bestimmten Vorschriften des SGB VI Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat. Weitere Voraussetzung der Steuerbefreiung ist aber, dass die Summe der anderen Einkünfte des Arbeitnehmers nicht positiv ist. Das heißt, die (ursprüngliche) Steuerbefreiung entfällt, wenn bei dem betreffenden Arbeitnehmer zu den Einkünften aus der geringfügigen Beschäftigung andere Einkünfte hinzukommen, deren Summe positiv ist.
2. Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig und unmissverständlich. Der Begriff der anderen "Einkünfte" ist ohne Frage i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG zu verstehen. Die Steuerfreiheit entfällt demnach nicht nur dann, wenn Einkünfte aus anderen Einkunftsarten hinzukommen, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer andere Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt, vorausgesetzt, die Summe der anderen Einkünfte ist positiv. Ersichtlich kommt es auch nicht darauf an, ob die anderen Einkünfte innerhalb des Veranlagungszeitraums zeitlich vor, während oder nach dem Bezug der Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung erzielt werden. Der Zweck der Vorschrift orientiert sich hinsichtlich der Einkünfte nur an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Aus steuersystematischen Gründen konnte die Entscheidung demnach sicherlich nicht anders ausfallen.
3. Zu beachten ist, dass der Gesetzgeber zeitgleich (ab 1.4.1999) mit der Einführung des § 3 Nr. 39 EStG auch die Vorschrift des § 46 Abs. 2a EStG eingeführt hat. Danach ist eine Pflichtveranlagung durchzuführen, wenn zunächst – aufgrund einer für die steuerfreie Auszahlung notwendigen Bescheinigung nach § 39a Abs. 6 EStG – der Arbeitslohn aufgrund dieser Bescheinigung im LSt-Abzugsverfahren nicht erfasst worden ist. Erweist sich (nachträglich) die Summe der anderen Einkünfte als positiv, so wird die Steuer auf die zunächst als steuerfrei behandelten Einkünfte (aus der geringfügigen Beschäftigung) im Weg der Veranlagung nachgefordert. Dies gilt sowohl im Fall der nachträglichen als auch der anfänglichen Unrichtigkeit der Bescheinigung.
4. Geringfügig Beschäftigte, die unterjährig aus 630-DM-Jobs (jetzt: 325-Euro-Jobs) in ordentliche Beschäftigungsverhältnisse wechseln wollen, sollten die Umwandlung in eine Teil- oder Vollzeiterwerbstätigkeit – wenn möglich – zu Anfang eines Jahres durchführen, um eine Nachversteuerung zu vermeiden. Zu prüfen ist auch, ob die Möglichkeit besteht, die positiven Einkünfte mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten (z.B. VuV) zu verrechnen, um den Wegfall der Steuerbefreiung zu vermeiden.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 26.3.2002, VI B 1/02