Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Leitsatz
- Verlagert der Arbeitgeber im Rahmen eines Joint Venture einen Geschäftsbereich auf ein Gemeinschaftsunternehmen, dessen Geschäftsleitung durch ein "fremdes", nicht zum Konzern des Arbeitgebers gehörendes Unternehmen besetzt wird, so kann eine an einen Arbeitnehmer gezahlte Abfindung auch dann nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei sein, wenn der Arbeitnehmer zunächst zeitlich befristet mit der Garantie der anschließenden Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber zu dem Gemeinschaftsunternehmen versetzt wird, ihm aber in einer Betriebsvereinbarung bei einem arbeitsrechtlichen Wechsel zum Betreiber des Gemeinschaftsunternehmens innerhalb der Versetzungszeit vom bisherigen Arbeitgeber eine Abfindung zugesagt worden ist und wenn er nunmehr dieses Angebot eines mit einer Abfindung verbundenen Arbeitgeberwechsels annimmt.
- Auch wenn der Aufhebungsvertrag des Arbeitnehmers mit dem "alten" Arbeitgeber zeitlich erst nach dem Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem "neuen" Arbeitgeber unterzeichnet worden ist, hat der "alte" Arbeitgeber die entscheidende Ursache für die Aufhebung des bisherigen Arbeitsvertrags mit der Entscheidung gesetzt, den Geschäftsbereich, in dem der Arbeitnehmer tätig ist, als Eigengeschäft aufzugeben und mit der Erledigung dieser Aufgabe ein neu zu gründendes Gemeinschaftsunternehmen zu beauftragen.
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die Steuerfreiheit einer Abfindung. Ein Arbeitgeber hatte im Rahmen eines Joint Venture einen Geschäftsbereich auf ein Gemeinschaftsunternehmen übertragen, dessen Geschäftsleitung durch ein "fremdes" - nicht zum Konzern des Arbeitgebers gehörendes - Unternehmen besetzt wurde. Der Arbeitnehmer war zunächst zeitlich befristet mit der Garantie der anschließenden Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber zu dem Gemeinschaftsunternehmen versetzt worden. In einer Betriebsvereinbarung war ihm für den Fall des arbeitsrechtlichen Wechsels zum Betreiber des Gemeinschaftsunternehmens vom bisherigen Arbeitgeber eine Abfindung zugesagt worden. Dieses Angebot seines ehemaligen Arbeitgebers nahm der Arbeitnehmer in 2004 an, nachdem er Ende 2003 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Gemeinschaftsunternehmen abgeschlossen hatte. Das Finanzamt lehnte den Antrag des Arbeitnehmers ab, den gezahlten Abfindungsbetrag in den Grenzen des § 3 Nr.9 EStG steuerfrei zu belassen. Demgegenüber hat das Finanzgericht der Klage des Arbeitnehmers stattgegeben.
Entscheidung
Nach Ansicht des Finanzgerichts ist die Auflösung eines Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber veranlasst, wenn dieser die entscheidenden Ursachen für die Auflösung gesetzt hat. Die entscheidende Ursache für die Auflösung eines Dienstverhältnisses werde von demjenigen gesetzt, der die Auflösung betrieben habe. Im Regelfall könne davon ausgegangen werden, dass bei Zahlung einer Abfindung der Arbeitgeber die Auflösung gewollt und damit auch im steuerlichen Sinne veranlasst habe. Anderenfalls wäre er kaum bereit gewesen, eine Abfindung zu zahlen. Der neue Arbeitgeber sei nicht in den Konzern des bisherigen Arbeitgebers eingegliedert gewesen, sondern ein völlig eigenständiges Unternehmen mit eigenständigen Gesellschaftern. Es habe sich bei der beruflichen Umorientierung des Klägers daher nicht bloß um eine Umsetzungsmaßnahme innerhalb eines einheitlichen Konzerns gehandelt, sondern um einen "kompletten Arbeitgeberwechsel".
Hinweis
Bis zum 1.1.2006 waren Abfindungen wegen Entlassung bis zur Höhe folgender Beträge steuerfrei:
Freibetrag |
Alter des Arbeitnehmers |
Betriebszugehörigkeit |
7.200 EUR |
ohne Bedeutung |
ohne Bedeutung |
9.000 EUR |
mindestens 50 Jahre |
mindestens 15 Jahre |
11.000 EUR |
mindestens 55 Jahre |
mindestens 20 Jahre |
Diese Steuerbefreiung ist mit Wirkung zum 1.1.2006 wegfallen. Dies bedeutet, dass grundsätzlich alle Abfindungen, die nach dem 1.1.2006 gezahlt werden, in vollem Umfang steuerpflichtig sind. Die Möglichkeit, die Abfindung ggf. als außerordentliche Einkünfte tarifermäßigt zu besteuern, ist aber erhalten geblieben. Außerdem gilt eine Übergangsregelung. Aus Vertrauensschutzgründen sind die bisherigen Freibeträge weiterhin anzuwenden
- für vor dem 1.1.2006 entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer auf Abfindungen oder
- für Abfindungen wegen einer vor dem 1.1.2006 getroffenen Gerichtsentscheidung oder
- einer am 31.12.2005 anhängigen Klage,
soweit die Abfindungen dem Arbeitnehmer vor dem 1.1.2008 zufließen. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer den Teil der Abfindung, der steuerfrei bleiben kann, spätestens am 31.12.2007 erhalten haben musste.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.09.2007, 6 K 1170/06