Leitsatz
Wird das Entgelt für die Altersteilzeitarbeit aufgestockt, steht der Steuerfreiheit des Aufstockungsbetrags nach § 3 Nr. 28 des Einkommensteuergesetzes nicht entgegen, dass sich der Steuerpflichtige bei dessen Zufluss nicht mehr in Altersteilzeit befindet.
Normenkette
§ 3 Nr. 28 EStG, § 2, § 4, § 5, § 6 AltTZG
Sachverhalt
Der Kläger war bei einer Konzerngesellschaft der Y-AG angestellt und vom 1.12.2009 bis zum 31.7.2015 im Rahmen einer Altersteilzeit zu 50 % beschäftigt. Er erhielt in dieser Höhe ein Arbeitsentgelt sowie einen Aufstockungsbetrag i. H. v. 40 % des Brutto-Arbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit, welcher im Zeitraum der Altersteilzeit gemäß § 3 Nr. 28 EStG als steuerfrei behandelt wurde. Außerdem nahm der Kläger in dieser Zeit am Programm "Z" der Y-AG teil, das auf den Zeitraum vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2016 angelegt war. Danach hatte er Anspruch auf einen Bonus, der sich nach der Entwicklung des Aktienkurses der Y-AG in dieser vierjährigen Periode bemaß. Seit dem 1.8.2015 bezieht er Renten und Versorgungsbezüge. Im Streitjahr (2017) erhielt er aus dem Programm "Z" einen Betrag i. H. v. insgesamt 10.497,20 EUR ausgezahlt. Der Bonus betrug 7.498,00 EUR. Hinzu kam ein Altersteilzeit-Aufstockungsbetrag i. H. v. 2.999,20 EUR (= 40 % von 7.498 EUR). In seiner ESt-Erklärung für das Streitjahr machte der Kläger den Aufstockungsbetrag als Lohnersatzleistung nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG geltend, der nur dem Progressionsvorbehalt unterliege. Das FA folgte dem nicht, sondern setzte den gesamten Auszahlungsbetrag (einschließlich des Altersteilzeit-Aufstockungsbetrags) als – wenn auch ermäßigt zu besteuernden – Arbeitslohn i. S. d. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 4 EStG an. Den Einspruch des Klägers wies das FA als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit des streitigen Aufstockungsbetrags lägen nicht vor. Denn der Kläger habe zum Zuflusszeitpunkt bereits Versorgungsbezüge erhalten und somit nicht mehr zum begünstigten Personenkreis des § 2 AltTZG gezählt.
Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG statt. Der streitige Aufstockungsbetrag sei gemäß § 3 Nr. 28 EStG steuerfrei. Der Umstand, dass der Betrag erst nach dem Eintritt des Klägers in den Ruhestand an diesen ausgezahlt worden sei, stehe dem nicht entgegen. Anders als das FA meine, müssten die Voraussetzungen des § 2 AltTZG hierfür nicht im Zeitpunkt des Zuflusses vorliegen, sondern in dem Zeitraum, für den der Aufstockungsbetrag geleistet worden sei (FG Köln, Urteil vom 22.11.2021, 6 K 1902/19, Haufe-Index 15078531, EFG 2022, 499).
Entscheidung
Die Revision des FA hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Nach § 3 Nr. 28 EStG sind unter anderem Lohnzuschläge, die der Arbeitgeber als Aufstockungsbeträge i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AltTZG gewährt, steuerfrei. Sie unterliegen als Lohnersatzleistung nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g EStG allerdings dem Progressionsvorbehalt.
2. Ein solcher Aufstockungsbetrag liegt vor, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines Tarifvertrags, einer Regelung der Kirchen und der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, einer Betriebsvereinbarung oder einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer das Regelarbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit um mindestens 20 % aufgestockt hat, wobei die Aufstockung auch weitere Entgeltbestandteile umfassen kann.
3. Maßgeblich für die Frage, ob ein steuerbegünstigter Aufstockungsbetrag vorliegt, sind damit zuvörderst die zwischen den Arbeitsvertragsparteien im Altersteilzeit-Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen. Denn in der Altersteilzeitvereinbarung ist auch zu regeln, in welchem Umfang (dem Grunde und der Höhe nach) der Arbeitgeber zur Aufstockung des Arbeitsentgelts verpflichtet ist. Ob es sich um feste oder variable oder (unter Umständen) auch erfolgsabhängige Gehaltsbestandteile handelt, ist unerheblich. Entscheidend ist lediglich, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers auf einem Tarifvertrag, einer Regelung der Kirchen und der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, einer Betriebsvereinbarung oder einer Individualvereinbarung mit dem Arbeitnehmer gründet.
4. Dies gilt insbesondere für Entgeltbestandteile, die nicht zum regelmäßigen Arbeitsentgelt und damit zu dem "auf einen Monat entfallende[n] vom Arbeitgeber regelmäßig zu zahlende[n] sozialversicherungspflichtige[n] Arbeitsentgelt" gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AltTZGzählen. Denn eine gesetzliche Pflicht zur Aufstockung für Entgeltbestandteile, die nicht regelmäßig anfallen, wie Einmalzahlungen, besteht nicht.
5. Ungeschriebene Voraussetzung der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 28 EStG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG ist zudem, dass der altersteilzeitnehmende Arbeitnehmer die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 2 AltTZG erfüllt. Daher kommt die Steuerfreiheit mit Ablauf des Kalendermonats, in dem der Arbeitnehmer die Altersteilzeitarbeit beendet oder die für ihn geltende gesetzliche Altersgrenze für die Regelaltersrente erreicht hat, nicht mehr in Betracht.
6. Nach diesen ...