Sachverhalt
Bei dem EuGH-Verfahren ging es um eine Frage der Auslegung bzw. des Anwendungsbereichs der Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der 6. EG-Richtlinie (ab 1. Januar 2007: Artikel 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL) für die Leistungen von Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder, die sich aus dem niederländischen Mehrwertsteuerrecht ergibt. Streitig war, ob die Steuerbefreiung sich auch auf Dienstleistungen erstreckt, die einem oder mehreren Mitgliedern individuell erbracht werden, oder ob die Befreiung nur dann anwendbar ist, wenn die Leistung allen Mitgliedern gleichzeitig erbracht wird.
Die Klägerin ist eine niederländische Stiftung, deren Mitglieder verschiedene Organe der Krankenversicherung und in einigen Fällen die einzelnen Mitglieder dieser Einrichtungen, wie z. B. einzelne Krankenhäuser sind. Die Mitglieder der Stiftung erbringen mehrwertsteuerfreie Umsätze. Das Stiftungsziel der Klägerin ist die Verbesserung der Qualität der ärztlichen Heilbehandlung. Dafür erbringt sie ihren Mitgliedern verschiedene Dienstleistungen. Die meisten dieser Leistungen (insbesondere im Zusammenhang mit der Bestimmung und Aufrechterhaltung beruflicher Standards für Ärzte und Pflegepersonal) werden Krankenhäusern erbracht, und die Kosten werden entsprechend der Bettenzahl auf diese umgelegt. Diese Dienstleistungen sind nach niederländischem Recht in Anwendung der Regelung in Artikel 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL steuerfrei. Die Stiftung erbringt jedoch von Zeit zu Zeit auch andere Dienstleistungen nur für einzelne Mitglieder. Dazu gehören z.B. die Abstellung eines Mitarbeiters zur Leitung einer Arbeitsgruppe einer der angeschlossenen Einrichtungen für ein Projekt über angemessene ärztliche Heilbehandlung oder die Delegation von Mitarbeitern zu Vorträgen auf einem von einer anderen angeschlossenen Einrichtung organisierten Kolloquium zu antiviralen Arzneimitteln und Herzversagen. Derartige Dienstleistungen werden individuell mit der betreffenden Mitgliedsorganisation abgerechnet. Nach dem Vorlagebeschluss ist es unstreitig, dass die fraglichen Dienstleistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung der steuerbefreiten Tätigkeiten der Mitglieder erbracht wurden und dass die Wettbewerbsverzerrungen bei einer Steuerbefreiung dieser Leistungen nicht zu befürchten waren. Die niederländische Finanzbehörde war jedoch der Ansicht, dass das Merkmal "Erstattung des jeweiligen Anteils der Mitglieder an den gemeinsamen Kosten" nicht erfüllt sei und hatte die Steuerbefreiung abgelehnt.
Entscheidung
Der EuGH hat entscheiden, dass die Steuerbefreiung nach Artikel 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL auch für Dienstleistungen in Betracht kommt, die von Zusammenschlüssen, die in den subjektiven Anwendungsbereich der Vorschrift fallen, gegenüber ihren Mitgliedern erbracht werden, selbst wenn diese Dienstleistungen nur einem oder mehreren Mitgliedern erbracht werden, vorausgesetzt, dass die sonstigen Bedingungen der Vorschrift erfüllt sind. Eine zu enge Auslegung wie die der niederländischen Finanzbehörde würde der Vorschrift ihre praktische Anwendbarkeit nehmen.
Der EuGH hat im Sinne der Schlussanträge entschieden und damit der Steuerbefreiung für Leistungen von Personenzusammenschlüssen einen weiteren Anwendungsbereich zugestanden. In der Rechtssache C-168/07 (AXA Belgium SA) hat der EuGH eine ähnliche Frage zu entscheiden. Hier geht es um die Frage, ob die Steuerbefreiung nach Artikel 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL auch voraussetzt, dass der Personenzusammenschluss seine Leistungen ausschließlich gegenüber den angeschlossenen Mitgliedern erbringt, d.h. ob Leistungen an Nichtmitglieder dazu führen, dass die Steuerbefreiung überhaupt nicht mehr (auch nicht mehr für Leistungen an Mitglieder) zur Anwendung kommt. In dieser Sache sind noch keine Schlussanträge ergangen. Gleichwohl dürfte der EuGH auch hier zu einer eher weiten Auslegung kommen. Danach sind steuerfrei Leistungen von Personenvereinigungen an ihre Mitglieder, wenn die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Die Bestimmung setzt nicht voraus, dass eine Personenvereinigung ihre begünstigten Leistungen ausschließlich an ihre Mitglieder (und ansonsten an keine weiteren Leistungsempfänger) erbringt. Der Vorschrift ist lediglich zu entnehmen, dass vergleichbare Leistungen einer Personenvereinigung an ihre Mitglieder einerseits und an andere Leistungsempfänger andererseits unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen. Die Leistungen an Mitglieder sind steuerfrei nach Artikel 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL, die anderen Leistungen sind nicht nach dieser Vorschrift steuerfrei.
Hinweis
Bislang ist Artikel 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL nur partiell in deutsches Recht umgesetzt (§ 4 Nr. 14 S. 2 UStG - Leistungen von Ärztegemeinschaften; weiterer Umsetzungsbedarf war bisher nicht erkennbar). Mit der im JStG 2009 enthaltenen Neufassung von § 4 Nr. 14 UstG werden auch sonstige Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in § 4 N. 14 Buchst. a Ust...