Leitsatz
Eine die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem "Gartenhaus" bebaut ist, welches nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, baurechtswidrig dauerhaft bewohnt.
Normenkette
§ 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb im Dezember 2009 einen Miteigentumsanteil an im Außenbereich gelegenen Grundstücken. Die Grundstücke liegen in einem Wochenend- und Ferienhausgebiet. Im Flächennutzungsplan sind die Grundstücke als Kleingartengelände ausgewiesen; sie werden von einem Kleingartenverein verwaltet.
Nach Angaben des Klägers ist mit dem Miteigentumsanteil die alleinige Nutzungsbefugnis an zwei Parzellen verbunden. Auf den Parzellen befand sich ein Wochenendhaus mit diversen Nebengebäuden. Das Haus verfügte über Küche und Bad sowie eine Heizung und war mit Wasser und Abwasser, Strom sowie Telefon voll erschlossen. Der Kläger bewohnte das Haus bis zur Veräußerung seiner Miteigentumsanteile im Jahr 2014. Er war dort teilweise sogar polizeilich gemeldet. Aus der Veräußerung erzielte der Kläger einen Gewinn, den das FA der Besteuerung unterwarf. Das FA behandelte das Grundstück (bewertungsrechtlich) als unbebaut. Die Klage war erfolglos. Die baurechtswidrige Dauernutzung des Hauses zum Wohnen war nach Ansicht des FG nicht privilegiert (FG München, Urteil vom 15.9.2020, 2 K 1316/19, Haufe-Index 14425214, EFG 2021, 762).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Klägers, das das FA in der Einspruchsentscheidung wiedergegeben hat, war das Hauptgebäude nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren. Die tatsächliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken war ebenfalls unstreitig.
Hinweis
Grundstücksveräußerungen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt, sind steuerpflichtig. Ausgenommen sind u.a. Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
1. Voraussetzung ist, dass die Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Das Kriterium der "dauerhaften Eignung zum Bewohnen" wird vom BFH rein tatsächlich verstanden. Entscheidend ist, ob das Objekt tatsächlich dazu geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen. Dies betrifft vor allem die Beschaffenheit des Gebäudes, insbesondere seine Ausstattung und Einrichtung.
2. Eine rechtliche Bestimmung (Widmung) oder auch nur die behördliche Erlaubnis zum dauernden Bewohnen ist nicht erforderlich. Auch eine baurechtswidrige Dauernutzung als Wohnung kann das Kriterium erfüllen. Das ergibt sich vor allem aus dem Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Die Norm dient der Verhinderung einer ungerechtfertigten Besteuerung eines (unausweichlichen) Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes, z.B. wegen eines Arbeitsplatzwechsels. Dieser Zweck gebietet die Einbeziehung einer baurechtswidrigen Dauerwohnnutzung in den Tatbestand der Ausnahmevorschrift.
3. Dem steht nicht entgegen, dass die Bauaufsichtsbehörde die baurechtswidrige Nutzung jederzeit untersagen kann. Auch dabei handelt es sich um eine Frage der rechtlichen und nicht der tatsächlichen Eignung zum dauerhaften Bewohnen.
4. Es steht ebenfalls nicht entgegen, dass die Eigenheimzulage für Häuser, die nicht dauerhaft bewohnt werden durften, nicht gewährt wurde, denn § 10e EStG verfolgte andere Zwecke (Erwerb von Wohnungseigentum durch möglichst viele Bürger und damit die Förderung der Vermögensbildung).
5. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass unbebaute Grundstücke von der Ausnahmevorschrift nicht erfasst werden. Das Grundstück ist mit einem "Gartenhaus" bebaut; auf die bewertungsrechtliche Einordnung kommt es nicht an.
6. Bestätigung findet die Auslegung auch in der Vorschrift des § 40 AO. Danach sind Rechtsverstöße für die Besteuerung grundsätzlich unbeachtlich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.10.2021 – IX R 5/21