Wenn nun eine Gruppierung von mindestens drei Personen, die nach st. Rspr. eine Bande bildet (vgl. BGH v. 22.3.2001 – GSSt 1/00, wistra 2001, 298; BGH v. 22.8.2001 – 3 StR 287/01, wistra 2002, 21; BGH v. 22.10.2001 – 5 StR 439/01, wistra 2002, 57), beschließt, unter Ausnutzung des Verfahrens der Steueranrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG fortan die FinBeh. dadurch zu täuschen, dass diese irrtumsbedingt zur Auszahlung der tatsächlich vorher nicht einbehaltenen Abzugsteuern zum Nachteil des Fiskus veranlasst werden, und hierzu in einem bestimmten Zeitfenster miteinander verzahnt nach einer vorherigen Absprache konkret aufeinander abgestimmte Finanztransaktionen durchgeführt und die Tatbeute nach einer bestimmten, vorher vereinbarten Quote unter den Gruppenmitgliedern aufgeteilt wird, um sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen (vgl. zur Gewerbsmäßigkeit BGH v. 8.11.1951 – 4 StR 563/51, BGHSt 1, 383; BGH v. 11.9.2003 – 4 StR 193/03, wistra 2003, 460), dann ist an sich neben Steuerhinterziehung – auch – der Qualifikationstatbestand des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs (§ 263 Abs. 1 und 5 StGB) erfüllt, da durch Täuschung ein Irrtum erregt und hierdurch eine Vermögensverfügung beim Getäuschten herbeigeführt wird, die zu einem Schaden führt und die Täter keinen Anspruch auf den erstrebten Vermögensvorteil haben, vorsätzlich und in Bereicherungsabsicht handeln und der Vermögensschaden auf der Seite des Geschädigten dem Vermögensvorteil auf der Seite der Täter entspricht.
§ 263 Abs. 5 StGB stellt eine Qualifikation des Grundtatbestandes des Betrugs dar und stuft die Tat zum Verbrechen hoch, da die Strafandrohung mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe beträgt (arg. § 12 Abs. 1 StGB; vgl. Perron in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 263 Rz. 189a).
Allerdings würde die Annahme, dass die Täter nach der o.g. Fallgestaltung sich neben Steuerhinterziehung auch wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges verantworten müssen, zu einem Wertungswiderspruch mit § 370 Abs. 3 AO führen, wonach ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung i.d.R. mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft wird und als Regelbeispiel in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO – anders als in § 370a AO a.F. – lediglich die bandenmäßige Steuerhinterziehung in Bezug auf USt und Verbrauchssteuern unter Strafe gestellt ist.
Vorrang der Steuerhinterziehung: Es entspricht überdies dem historischen Willen des Gesetzgebers, dass vom Vorrang der Steuerhinterziehung auszugehen ist (BGH v. 1.2.1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100 = NJW 1989, 1619; BGH v. 3.11.1989 – 3 StR 245/89, wistra 1990, 58; BGH v. 23.3.1994 – 5 StR 91/94, wistra 1994, 194). Auch die Regelung des § 100a Abs. 2 Nr. 2a StPO wäre nicht erforderlich, wenn diese Fälle bereits über § 263 Abs. 3 S. 2 bzw. Abs. 5 StGB erfasst werden könnten und § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. n StPO insoweit anwendbar wäre.
Es entspricht der zutreffenden h.M., dass es sich beim Tatbestand des § 370 AO um eine abschließende Sonderregelung handelt, die den allgemeinen Betrugstatbestand verdrängt und allenfalls dann eine tateinheitliche Begehung zulässt, wenn der Täter mit Mitteln der Täuschung außer der Verkürzung von Steuereinnahmen oder der Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile noch weitere Vorteile erstrebt (vgl. BGH v. 6.6.2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356; LG Wiesbaden v. 1.9.2021 – 6 KLs 1111 Js 18753/21, AO-StB 2022, 19; Puppe, NStZ 2021, 598; Mosbacher, NJW 2021, 1916; Wulf / Peters, wistra 2021, 231; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 23.37; Muhler in Müller-Guggenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl. 2021, Rz. 44.109; Rolletschke in Rolletschke/Kemper/Roth, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 1050 ff. [November 2020]; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5, Stichwort "Steuerhinterziehung" Rz. 24 [September 2019]; krit. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 881 [August 2020]; a.A. OLG Frankfurt v. 9.3.2021 – 2 Ws 132/20, AO-StB 2021, 294).
Beachten Sie: Auch wäre im Falle der (parallelen oder aber ausschließlichen) Anwendbarkeit des § 263 Abs. 5 StGB fraglich, ob und inwieweit die Vorschriften über die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO gelten würden (vgl. zutreffend Hoyer in Gosch, AO/FGO, § 370 AO Rz. 38 [Februar 2022]).