Leitsatz
1. Kinderbetreuungskosten können nur bei demjenigen steuermindernd als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG) berücksichtigt werden, der sie getragen hat.
2. Die alleinige Zuordnung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende zu lediglich einem Elternteil verstößt auch im Falle des paritätischen Wechselmodells nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.
3. Bei nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eltern wird im Rahmen der nach § 31 Satz 4 EStG durchzuführenden Günstigerrechnung bei jedem Elternteil der Kindergeldanspruch im Umfang des bei ihm zu berücksichtigenden Kinderfreibetrags angesetzt, unabhängig davon, ob der jeweilige Elternteil die tatsächliche Verfügungsmacht über das Kindergeld erlangt hat.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 5, § 24b, § 31 Satz 1 und 4, § 32 Abs. 6 Satz 1, § 64 EStG
Sachverhalt
Der ledige Kläger ist Vater eines Kindes. Im September 2015 zog die Kindsmutter aus dem gemeinsamen Haushalt aus. Das Kind war danach in beiden Haushalten gemeldet und lebte wechselweise eine Woche beim Kläger und eine Woche bei der Kindsmutter. Die Kindergarten- und Hortgebühren bezahlte die Kindsmutter. Diese bezog auch das Kindergeld. Der Kläger beantragte die Gewährung eines hälftigen Entlastungsbetrags für Alleinerziehende für vier Monate sowie die Berücksichtigung der hälftigen Aufwendungen für die Kinderbetreuung als Sonderausgaben und der einfachen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG. Das FA lehnte dies ab. Das FG (Thüringer FG, Urteil vom 23.11.2021, 3 K 799/18, EFG 2022, 155, Haufe-Index 15160570) wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers zurück. Die Kinderbetreuungskosten könnten nicht berücksichtigt werden, da sie der Kläger – auch unter Berücksichtigung des Kindergeldbezugs der Mutter – nicht getragen habe. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende könne nicht aufgeteilt werden und stehe mangels einvernehmlicher Zuweisungsentscheidung der Eltern der Kindsmutter zu, da diese auch das Kindergeld beziehe. Der Kinderfreibetrag stünde dem Kläger nicht zu, da der hälftige Kindergeldanspruch günstiger sei. Gegen diese gesetzgeberische Entscheidung bestünden auch in der Konstellation des paritätischen Wechselmodells keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Hinweis
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG können zwei Drittel der Betreuungsaufwendungen, höchstens jedoch 4.000 EUR je Kind, als Sonderausgaben abgesetzt werden. Voraussetzung dafür ist u. a., dass es sich um ein Kind i. S. d. § 32 Abs. 1 EStG handelt, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Zudem muss das Kind zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehören, der den Sonderausgabenabzug begehrt. Weiter ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist. Da nach allgemeinen Grundsätzen Sonderausgaben nur bei demjenigen steuermindernd berücksichtigt werden können, der sie getragen hat, kommt hinzu, dass Ausgaben Dritter (sog. Drittaufwand) bei dem insoweit nicht belasteten Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können (BFH-Urteil vom 25.11.2010, III R 79/09, BFH/NV 2011, 886, Rz. 9, zu § 4f EStG a.F.).
2. Leben die Eltern des Kindes getrennt, ist für den Sonderausgabenabzug zum einen erforderlich, dass das Kind zum Haushalt des Elternteils gehört, der den Sonderausgabenabzug begehrt. Bei annähernd gleichwertigem Aufenthalt bei beiden Elternteilen, kann das Kind auch in den Haushalt beider Elternteile aufgenommen sein (BFH-Urteil vom 23.3.2005, III R 91/03, BFH/NV 2005, 1186). Zum anderen muss der betreffende Elternteil auch selbst Kinderbetreuungsaufwendungen getragen haben. Dies ist am einfachsten dadurch nachweisbar, dass der Steuerpflichtige seinen Anteil an den Betreuungskosten direkt auf das Konto des Erbringers der Betreuungsdienstleistungen überweist. Anderenfalls muss er nachweisen, in welcher Form und in welcher Höhe er dem anderen Elternteil die Betreuungskosten erstattet hat.
3. Nach § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG können alleinstehende Steuerpflichtige einen Entlastungsbetrag von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht (Entlastungsbetrag für Alleinerziehende). Die Zugehörigkeit zum Haushalt ist gemäß § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des alleinstehenden Steuerpflichtigen gemeldet ist. Ist das Kind bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet, steht der Entlastungsbetrag demjenigen Alleinstehenden zu, der vorrangig kindergeldberechtigt ist oder wäre (§ 24b Abs. 1 Satz 3 EStG). Da die das Konkurrenzverhältnis zwischen mehreren Kindergeldberechtigten regelnde Vorschrift des § 64 EStG den Fall der annähernd gleichwertigen Aufnahme des Kindes i...