Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
R ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er Leistungen selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht ausführt. Allerdings wird R hier nicht im Rahmen seines Unternehmens tätig, da er die Musik ausschließlich für private Zwecke verwenden möchte.
Der amerikanische Anbieter führt eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG aus, da er dem R gegenüber eine Leistung ausführt, die keine Lieferung ist. Der Ort der sonstigen Leistung könnte sich nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmen, allerdings würde dies voraussetzen, dass R nicht nur Unternehmer ist, sondern die Leistung auch für sein Unternehmen bezieht. Damit ergibt sich der Ort der sonstigen Leistung nicht nach der B2B-Grundregelung zur Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung.
Der leistende Unternehmer führt aber eine auf elektronischem Weg ausgeführte sonstige Leistung aus, da die Musik über das Internet heruntergeladen wird. Da die sonstige Leistung an einen Unternehmer für dessen nichtunternehmerischen Bereich ausgeführt wird, bestimmt sich der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 5 UStG und ist dort, wo der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz hat. Die Leistung des amerikanischen Unternehmers ist dann in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegt auch keiner Steuerbefreiung.
Absolutes Bestimmungslandprinzip unterliegt Veränderungen
Seit dem 1.1.2015 sind elektronische Dienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und Telekommunikationsdienstleistungen, die an einen Nichtunternehmer (oder Unternehmer für dessen privaten Bedarf) ausgeführt werden, immer dort erbracht, wo der Leistungsempfänger ansässig ist – unabhängig davon, ob der leistende Unternehmer aus dem Gemeinschaftsgebiet oder dem Drittlandsgebiet kommt. Für solche Leistungen, die grenzüberschreitend im Europäischen Binnenmarkt von einem dort ansässigen Unternehmer ausgeführt werden, gibt es seit 1.1.2019 eine Bagatellgrenze in § 3a Abs. 5 UStG, nach der sich der Ort erst dann in den anderen Mitgliedstaat verlagert, wenn die Summe der Leistungen (im Vorjahr oder bisher im laufenden Jahr) die EU-einheitliche Grenze von 10.000 EUR überschritten hat. In diese unionseinheitliche Umsatzschwelle sind seit dem 1.7.2021 auch die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 UStG mit einzuberechnen.
Da es sich bei dem leistenden Unternehmer um einen ausländischen Unternehmer handelt, der eine sonstige Leistung an einen Unternehmer – auch für dessen nichtunternehmerischen Bereich – ausführt, wird R für die ihm gegenüber ausgeführte sonstige Leistung zum Steuerschuldner. Der von R bezahlte Betrag von 200 EUR stellt die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG dar, die Steuer entsteht nach § 12 Abs. 1 UStG mit 19 %, sodass R insgesamt 38 EUR USt schuldet. Die Steuer entsteht mit Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des der Leistung folgenden Monats – auf die Zahlung im November 2021 kommt es nicht an. Soweit der Anbieter im Rahmen des Downloads eine (elektronische) Rechnung erstellt hätte, würde die USt für den VAZ Oktober 2021 entstehen.
Steuererklärungspflicht bei Leistungen an Nichtunternehmer
Würde es sich bei R um einen angestellten Rechtsanwalt handeln, der auch nicht in anderen Bereichen unternehmerisch tätig ist, würde der leistende Unternehmer der Steuerschuldner bleiben. Allerdings könnte sich dann eine Besteuerung im Rahmen der sog. Einortregistrierung von Drittlandsunternehmern bei der Ausführung elektronischer Dienstleistungen im B2C-Bereich ergeben.
Allerdings wird es hier in der Praxis zu Schwierigkeiten kommen, da der leistende Unternehmer – soweit er seinen Besteuerungsverpflichtungen in Europa nachkommen wird – nicht den Nachweis erbringen kann, dass die Umsatzsteuer schon im Reverse-Charge-Verfahren vom Leistungsempfänger abgeführt worden ist. Hier wird es systembedingt (wenn alle Beteiligten ihren Verpflichtungen nachkommen sollten) aber insoweit systemwidrig zu einer Doppelbesteuerung kommen. Die Regelungen des § 3a Abs. 5 UStG und die Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger sind weder unionsrechtlich noch national aufeinander abschließend abgestimmt. Dies ist durch die unionseinheitliche Umsatzschwelle von 10.000 EUR für die im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer verschlimmert worden, da der Leistungsempfänger in diesen Fällen überhaupt nicht in der Lage sein wird, zu prüfen, ob der leistende Unternehmer diese Schwelle überschreitet oder nicht. Es müsste (dringend) in § 13b Abs. 6 UStG eine Ausnahme für die Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger in den Fällen des Leistungsbezugs solcher Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG in dem nichtunternehmerischen Bereich aufgenommen werden.
Ein Vorsteuerabzug ergibt sich für R nicht, da er keine Leistung für sein Unternehmen bezieht: Die allgemeinen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG sind nicht erfüllt.