Wenn ein deutscher Unternehmer im VK Leistungen bezieht, die aufgrund umsatzsteuerlicher Vorschriften der britischen Umsatzsteuer zu unterwerfen sind, er selbst aber im VK weder über eine Niederlassung verfügt noch aufgrund von Transaktionen verpflichtet ist, sich im VK umsatzsteuerlich erfassen zu lassen und britische Umsatzsteuererklärungen abzugeben, hat er dennoch nach dem unionsrechtlichen Rahmen grundsätzlich einen Anspruch auf Vorsteuerabzug.
Zu den betroffenen Leistungen können insbesondere Reisekosten des Unternehmers und seines Personals gehören. So befindet sich der umsatzsteuerliche Leistungsort bei Hotelübernachtungen regelmäßig am Ort des Hotels und bestimmt sich bei Personenbeförderungsleistungen (Taxifahrten, Busse, U-Bahnen, Bahnverkehr, Flüge, usw.) nach der Beförderungsstrecke. Nach dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem der EU gelten in entsprechenden Fällen die Voraussetzungen der Richtlinie 2008/9/EG. Diese Richtlinie regelt die Erstattung von Mehrwertsteuer an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige umsatzsteuerpflichtige Person. Sie gilt grundsätzlich ab dem 01.01.2010.
Die Richtlinie sieht prinzipiell einen Anspruch auf Erstattung in einem anderen Mitgliedstaat gezahlter Vorsteuerbeträge vor. Allerdings muss der Unternehmer einen Erstattungsantrag stellen. Dieser Antrag ist in einem besonderen digitalen Verfahren (vgl. Art. 7 Richtlinie 2008/9/EG) durch deutsche Unternehmer über ein beim BZSt eingerichtetes Portal zu übermitteln. Dabei muss der Unternehmer einen strukturierten Fragebogen ausfüllen (vgl. Art. 8 und 9 sowie 11 Richtlinie 2008/9/EG) und u. U. digitale Kopien seiner Eingangsrechnungen mit britischer Vorsteuer hochladen (vgl. Art. 10 Richtlinie 2008/9/EG). Das VK verlangt die Übermittlung digitaler Rechnungskopien mit dem Antrag, wenn der Nettobetrag bei Kraftstoffrechnungen mehr als 200 GBP beträgt, sowie mehr als 750 GBP in allen anderen Fällen (vgl. https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/resources/documents/taxation/vat/traders/vat_refunds/vademecum-refund-united-kingdom_en.pdf.
Für diese Antragstellung gilt eine Ausschlussfrist bis zum 30.09. des Jahres, das auf das Jahr folgt, für welches eine Erstattung beansprucht werden soll (vgl. Art. 15 Richtlinie 2008/9/EG). Der Antrag muss regelmäßig für einen Erstattungszeitraum von nicht weniger als drei Kalendermonaten und von maximal einem Kalenderjahr gestellt werden (vgl. Art. 16 Richtlinie 2008/9/EG). Kürzere Zeiträume sind nur möglich, wenn der Zeitraum den Rest eines Kalenderjahres betrifft. Zusätzlich gilt ein Mindesterstattungsbetrag i. H. v. 294 GBP bzw. 400 EUR bei Anträgen für Zeiträume unter einem Kalenderjahr und 37 GBP bzw. 50 EUR bei Anträgen für ein Kalenderjahr (vgl. dazu Art. 17 Richtlinie 2008/9/EG).
Das Bundeszentralamt für Steuern prüft anhand der Angaben des Unternehmers, ob eine grundsätzliche Vorsteuerabzugsberechtigung nach deutschem Recht besteht. Ist der Antragsteller beispielsweise ein Kleinunternehmer oder ein Unternehmer, der nur steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze ausführt (z. B. ein Allgemeinmediziner in eigener Praxis, der nur Heilbehandlungsleistungen erbringt, oder ein Versicherungsmakler), so wird der Antrag nicht an das VK als Erstattungsstaat weitergeleitet (vgl. dazu Art. 18 Richtlinie 2008/9/EG).
Andernfalls geht der Vorgang digital in das VK. Die britische Finanzbehörde bearbeitet den Antrag weiter. Sie prüft anhand der Angaben des Unternehmers, ob eine Berichtigung zum Vorsteuerabzug besteht und in welcher Höhe und entscheidet entsprechend über den Antrag. Dabei hat sie zusätzlich die Möglichkeit, dem Unternehmer unmittelbar Fragen zu stellen oder ergänzende Unterlagen oder Informationen anzufordern (vgl. Art. 20 ff. Richtlinie 2008/9/EG). Die gesamte weitere Bearbeitung einschließlich eventueller verfahrensrechtlicher Einwendungen gegen eine Ablehnungsentscheidung erfolgen nach dem Verfahrensrecht des Erstattungslandes, im vorliegenden Fall also des VK.