Leitsatz
1. Ein Unterschiedsbetrag ist nur für diejenigen Wirtschaftsgüter festzustellen, die in der Steuerbilanz des Wirtschaftsjahres, das der erstmaligen Anwendung der Tonnagebesteuerung vorangeht, anzusetzen sind.
2. Ein Feststellungsbescheid, in dem Unterschiedsbeträge für mehrere Wirtschaftsgüter festgestellt werden, enthält einzelne selbstständige Feststellungen von Unterschiedsbeträgen, die gesondert angefochten werden können.
Normenkette
§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 5a Abs. 4 Sätze 1 bis 3, § 6 Abs. 1 EStG, § 238 HGB
Sachverhalt
Eine Reederei hatte im Jahr 2002 den Bau eines Containerschiffs zum Preis von ca. 32 Mio. USD in Auftrag gegeben. Der Preis war nach Baufortschritt in Raten zu zahlen. Noch vor Fälligkeit der ersten Rate wurden die Rechte und Pflichten aus dem Auftrag auf eine Tochter-KG der Reederei übertragen. Die Übertragung erfolgte unentgeltlich, auch wenn formal als "consideration" eine Zahlung von 1 USD vereinbart war. Im Jahr 2004 wurde das Schiff abgeliefert.
Zwischen Bestellung und Ablieferung des Schiffs waren die Preise für Schiffe der bestellten Art gestiegen. Ende 2003 hätte der Kaufpreis des Schiffs ca. 1,5 Mio. EUR mehr betragen.
Der Gewinn der KG für 2004 wurde antragsgemäß nach § 5a EStG (Tonnagesteuer) ermittelt. Auf den 31.12.2003 stellte das FA einen Unterschiedsbetrag nach § 5a Abs. 4 EStG für die Fremdwährungsverbindlichkeit fest. Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, auch für ein Wirtschaftsgut "Bauvertrag" sei ein Unterschiedsbetrag in Höhe des gestiegenen Kaufpreises festzustellen. Ein negativer Unterschiedsbetrag müsse außerdem für Anzahlungen gebildet werden, und zwar in Höhe des für Fremdwährungsverbindlichkeiten festgestellten negativen Betrags. Gegen den entsprechend geänderten Feststellungsbescheid auf den 31.12.2003 erhob die KG in Bezug auf den Unterschiedsbetrag "Bauvertrag" nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage.
Das FG gab der Klage statt (FG Hamburg, Urteil vom 11.11.2009, 3 K 163/08, Haufe-Index 2265590, EFG 2010, 404).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Urteil des FG. Unterschiedsbeträge könnten nur für in der Steuerbilanz bilanzierte Wirtschaftsgüter gebildet werden. Ein "Bauvertrag" sei kein eigenständiges Wirtschaftsgut. Der im Wert gestiegene Anspruch auf Ablieferung des Schiffs sei als Bestandteil des schwebenden Geschäfts aus der Bestellung nicht zu bilanzieren. Der negative Unterschiedsbetrag für Anzahlungen sei nicht Gegenstand des Rechtsstreits, weil jeder einzelne Unterschiedsbetrag isoliert festzustellen sei und deshalb auch isoliert bestandskräftig werden könne.
Hinweis
1. Die Entscheidung zu Leitsatz 1 betrifft eine Frage aus der Tonnagebesteuerung, über die zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen seit Jahren Streit bestand. In Zeiten guter Auftragslage bei den Werften waren die Preise für Schiffe beständig gestiegen. Ein fertiggestelltes Schiff hätte am Tag der Ablieferung zu einem die Herstellungskosten übersteigenden Preis verkauft werden können. In dieser Zeit gab es auch einen Markt für den Verkauf der Ansprüche aus Schiffsbauverträgen. Nach Meinung der Finanzverwaltung sind die stillen Reserven in einem solchen neuen Schiff im Rahmen der Gewinnermittlung nach der Tonnage der Besteuerung zu unterwerfen.
Hierzu dient die Feststellung eines Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 EStG. Mit einem Unterschiedsbetrag werden die im Zeitpunkt des Übergangs von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zur Tonnagesteuer bestehenden stillen Reserven in den mit dem Schiff zusammenhängenden Wirtschaftsgütern "eingefroren", um sie später bei Ausscheiden des Schiffs aus der Tonnagebesteuerung Gewinn erhöhend aufzulösen. Streit besteht über die Frage, ob alle stillen Reserven in einem Unterschiedsbetrag festzuhalten sind, oder nur solche, die sich in bilanzierten Wirtschaftsgütern befinden. Der BFH entscheidet sich mit dem hiesigen Urteil für eine strenge Anknüpfung an die Steuerbilanz: Nur für dort bilanzierte Wirtschaftsgüter ist ein Unterschiedsbetrag festzustellen. Damit können in einem schwebenden Geschäft ruhende stille Reserven nicht aufgedeckt werden. Gleiches muss dann auch für alle anderen nicht bilanzierbaren Güter gelten, wie etwa selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens.
2. Dem Bilanzierungsverbot für schwebende Geschäfte hatte das FA hier dadurch ausweichen wollen, dass es ein immaterielles Wirtschaftsgut "Bauvertrag" kreierte. Ein solches Wirtschaftsgut gibt es jedoch nicht. Vielmehr handelt es sich um Ansprüche und Verpflichtungen aus einem Bauvertrag, für die die Ausgeglichenheitsvermutung gilt und die deshalb als schwebendes Geschäft nicht bilanziert werden. Geht die Ausgeglichenheit zulasten des Unternehmers verloren, muss eine Rückstellung wegen drohender Verluste gebildet werden, während im umgekehrten Fall die nicht als Gewinn realisierte Wertsteigerung keinen Niederschlag in der Bilanz findet. Anders verhält es sich, wenn die Wertsteigerung durch eine entgeltliche Abtretung der A...