Leitsatz
1. Die steuerrechtliche Anerkennung einer sog. Mittelverwendungstreuhand scheidet aus, wenn die vom "Treugeber" erteilte Vollmacht zum Abschluss eines Treuhandvertrags die tatsächliche Mittelverwendung nicht deckt und diese auch nicht durch den "Treugeber" genehmigt wird.
2. Spielgewinnansprüche gegen einen bilanzierenden Veranstalter einer nicht genehmigten Lotterie sind grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Entstehung Gewinn mindernd zu berücksichtigen, wenn keine Anhaltspunkte für eine betrügerische Ausrichtung des Geschäftskonzepts vorliegen.
Normenkette
§ 39 AO, § 4, § 5 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 15 EStG, § 247, § 249, § 266 HGB, § 177 Abs. 1 BGB
Sachverhalt
Eine KG hatte die Organisation von Lotto-Spielgemeinschaften angeboten, die sich mit Systemreihen an den Ausspielungen des deutschen Lotto-Blocks beteiligen sollten. Die Spielverträge sollte ein Treuhänder abschließen, an den dafür 44,8 % der eingezahlten Gelder von der KG weiterzuleiten waren. Als Treuhänder fungierten niederländische BV, die zeitweise auch Komplementärin der KG waren. Tatsächlich gaben die jeweiligen Treuhänder auf Weisung der KG nur für ca. 2 % der Spieleinsätze Lottoscheine ab. Im Übrigen erhielten die Mitspieler von der KG Gewinnanteile entsprechend den Zahlenkombinationen und in Höhe der Quoten ausbezahlt, die bei einer Teilnahme an der staatlichen Lotterie angefallen wären. In Bezug auf eine Vorgängergesellschaft der KG beurteilte der BFH im Urteil vom 02.04.2008, II R 4/06 (BFH/NV 2008, 1276, BFH/PR 2008, 371) die Tätigkeit als eine der Lotteriesteuer unterliegende Veranstaltung einer eigenen Lotterie.
Das FA minderte den Gewinn der KG nicht um die an den Treuhänder überwiesenen Beträge. Auch ließ es keine Rückstellung für Ansprüche von Mitspielern auf Gewinnansprüche aus vergangenen Spielrunden zu.
Im Klageverfahren gegen die Gewinnfeststellungsbescheide folgte das FG dieser Auffassung (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2009, 14 K 5127/05 F). Es erkannte allerdings Rückstellungen für Lotterie- und Gewerbesteuer auf Bilanzstichtage nach Entdeckung des Sachverhalts durch die Finanzverwaltung an.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung mit Ausnahme der Berücksichtigung von Ansprüchen der Mitspieler auf Gewinnanteile. Hierfür sei eine Verbindlichkeitsrückstellung zu bilden, deren Höhe in einem zweiten Rechtsgang vom FG noch ermittelt werden müsse.
Hinweis
1. Von den im Urteilsfall entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat der BFH zwei Fragen für besonders bedeutsam gehalten und in Leitsätze gefasst, nämlich die Frage, ob an einen Treuhänder gegebene Gelder, die von diesem nicht vereinbarungsgemäß verwendet werden, dem Zahlungsempfänger zugerechnet werden (dazu nachstehend unter 2.) und ob der nach außen als Vermittler auftretende, tatsächlich aber auf eigene Rechnung handelnde Veranstalter eines Glückspiels eine Rückstellung für Ansprüche von Spielteilnehmern auf Gewinnbeteiligung bilden muss (dazu unter 3.).
2. In Bezug auf das Treuhandverhältnis nimmt der BFH dazu Stellung, dass dieses nur dann anzuerkennen ist, wenn es tatsächlich der Treuhandabrede entsprechend durchgeführt wird. Dies gilt auch für die sog. Mittelverwendungstreuhand, bei der die Treuhandabrede vorsieht, dass die Mittel des Treugebers vom Treuhänder zu bestimmten Zwecken verwendet werden sollen. Verwendet der Treuhänder die Mittel nicht zweckentsprechend und legt er dies nicht offen, sodass auch nicht von einer Genehmigung des Treugebers ausgegangen werden kann, sind die Mittel dem Treuhänder zuzurechnen.
3. Eine Verbindlichkeitsrückstellung ist zu bilden, wenn am Bilanzstichtag eine wirtschaftlich in der Vergangenheit wurzelnde ungewisse Verpflichtung des Unternehmers besteht, aus der er wahrscheinlich in Anspruch genommen werden wird. Handelt der Unternehmer als Treuhänder und trifft die Verpflichtung ausweislich der Treuhandabrede im Innenverhältnis den Treugeber, kommt eine Rückstellung wegen Verpflichtungen gegenüber Dritten beim Treuhänder nicht in Betracht, soweit mit einer Freistellung durch den Treugeber entsprechend der Treuhandabrede gerechnet werden kann (Vorteilsausgleich, § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG). Handelt der Treuhänder aber abredewidrig auf eigene Rechnung, trifft ihn auch wirtschaftlich die gegenüber dem Dritten bestehende Verpflichtung, sodass die drohende Inanspruchnahme eine Passivierung erforderlich macht.
Hier war die Sache noch komplexer, weil zwischen Treugeber und Treuhänder ein Dritter als Vermittler trat, der nach Ansicht des BFH tatsächlich auf eigene Rechnung handelte. Da sich aus dem Vertragsverhältnis Ersatzansprüche des Treugebers gegen den Vermittler ergaben und mit einer Inanspruchnahme des Vermittlers anstelle des Treuhänders zu rechnen war, hielt der BFH die Voraussetzungen für eine Verbindlichkeitsrückstellung beim Vermittler für gegeben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 01.12.2010 – IV R 17/09