Leitsatz
1. Der Übergang des verbleibenden Verlustabzugs nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 setzt nur voraus, dass zum Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister die übertragende Körperschaft (irgend-)einen Geschäftsbetrieb unterhält, der das übertragende Unternehmen noch als wirtschaftlich aktiv erscheinen lässt. Nicht erforderlich ist, dass dieser Geschäftsbetrieb mit dem Betrieb, der die Verluste verursacht hat, identisch ist und einen vergleichbaren Umfang aufweist (Abgrenzung vom BMF-Schreiben vom 25.3.1998, BStBl I 1998, 268 Tz. 12.19 f.).
2. Der übergegangene Verlustabzug kann von der übernehmenden Körperschaft in dem Veranlagungszeitraum abgezogen werden, in dem der steuerliche Übertragungsstichtag liegt (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 25.3.1998, BStBl I 1998, 268 Tz. 12.16).
Normenkette
§ 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 a.F.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb einen Zeitungsverlag. Sie war seit 1991 alleinige Gesellschafterin eines anderen Verlags, der X-GmbH (X). Deren Sitz befand sich auf einem eigenen Grundstück. Zum Zweck des Vertriebs der Zeitungen hielt die X Beteiligungen i.H.v. je 1 % an 18 Pressevertriebsgesellschaften.
Nachdem die Herausgabe mehrerer Zeitungen im Jahr 1992 eingestellt worden war, gab die X ab 1993 nur noch eine einzige Zeitung heraus. Wegen nachhaltiger Verluste stellte die X Mitte 1994 auch diese Zeitung ein. Die mit der Herstellung und der Herausgabe der Zeitung beschäftigten Mitarbeiter wurden entlassen. Von den im Jahr 1994 beschäftigten durchschnittlich ca. 200 Angestellten verblieben ein Geschäftsführer sowie zwei kaufmännische Angestellte. Das bewegliche Anlagevermögen wurde vollständig verkauft.
Das mehrstöckige Betriebsgebäude stand zunächst leer, später wurde eine Etage vermietet. Die Beteiligungen an den Vertriebsgesellschaften behielt die X bei. Später übernahm die X zudem das Geschäft mit der Vermarktung von Werbeartikeln für die Klägerin. Hierfür bediente sie sich eines Dienstleisters. Der X oblag es dabei, die von ihr auszuwählenden Werbeartikel einzukaufen, den Prospekt zusammenzustellen und für dessen Verbreitung und Bekanntmachung zu sorgen. Insgesamt erzielte die X aus diesem Geschäftszweig Umsätze von ca. 300.000 DM in 1995 und ca. 200.000 DM im Jahr 1996.
Am 21.11.1995 wurde die X mit steuerlicher Wirkung vom 1.7.1995 auf die Klägerin verschmolzen. Diese nahm daraufhin den verbleibenden Verlustabzug der X i.S.d. § 10d Abs. 3 Satz 2 EStG 1990 im Streitjahr und in den Folgejahren durch Verrechnung mit ihren Gewinnen in Anspruch.
Das FA versagte die geltend gemachte Verrechnung mit dem Verlustvortrag der X. Zum Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung ins Handelsregister sei der Geschäftsbetrieb der X bereits eingestellt gewesen, sodass nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 eine Übertragung des Verlustvortrags ausgeschlossen sei.
Die dagegen gerichtete Klage war erfolglos (EFG 2005, 827).
Entscheidung
Der BFH war anderer Ansicht als das FG. Ihm genügt es, dass der Verlust verursachende Betrieb der X in Gestalt des Merchandising-Geschäfts und der fortbestehenden Beteiligungen an den Vertriebsgesellschaften nach wie vor – wenn auch in deutlich verringertem Umfang – tätig war. Ihr Betrieb sei so gesehen nicht eingestellt worden. Der Verlustabzug konnte deswegen "gerettet" werden.
Hinweis
1. Es handelt sich um ein Urteil mit in der Kernaussage ohne sonderlich hohen Aktualitätswert. Denn Verfahrensgegenstand war der verschmelzungsbedingte Verlustübergang gem. § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 a.F. und damit die Vor-Vor-Regelungsfassung:
Seit dem 1.1.2007 wurde die Möglichkeit des Verlusttransfers im Zug des SEStEG gänzlich abgeschafft.
Bis dahin bestand diese Möglichkeit zwar, dies allerdings nach Maßgabe zu der im Gegensatz zur Zeit davor strenger der einschränkenden, im Jahr 1997 novellierten Regelungsfassung des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995/2002, wonach die übernehmende Körperschaft in den verbleibenden Verlustvortrag der übertragenden Körperschaft nur unter der Voraussetzung eintrat, dass der Betrieb, der den Verlust verursacht hat, über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird.
Für Umwandlungsvorgänge, deren Eintragung im Handelsregister nach dem 5.8.1997 beantragt worden ist (vgl. § 27 Abs. 3 UmwStG 1995), kam es für den Verlustübergang hingegen allein darauf an, dass die "übertragende Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt der Eintragung des Vermögensübergangs im Handelsregister noch nicht eingestellt hatte". Und genau darum wurde im Urteilsfall gestritten.
2. Der BFH vertritt dazu einen nach allem eher großzügigen Standpunkt:
Zwar genügt es ihm nicht, wenn die Tätigkeit des Unternehmens sich darauf beschränkt, mit Hilfe von Subunternehmern oder unter Einsatz ausgeliehener oder nur formal beschäftigter Arbeitnehmer Gewährleistungsverpflichtungen aus früher bearbeiteten Aufträgen zu erfüllen (vgl. Urteil vom ...