Diese Hauptentscheidung behandelt zudem interessante verfahrensrechtliche Aspekte des § 14 Abs. 5 KStG, die jedoch nicht Gegenstand dieses Beitrages sind.
a) Sachverhalt
Zwischen der A-GmbH als OT und der B-GmbH als OG bestand eine ertragsteuerliche Organschaft. Das Geschäftsjahr der OG entsprach dem Kalenderjahr. Im März 2015 erwarb C sämtliche Anteile an der A-GmbH und verschmolz die A-GmbH auf die D-KG – und zwar mit steuerlicher Rückwirkung zum 1.4.2015.
Nach einer Betriebsprüfung bei der B-GmbH wurde streitig, ob im Streitjahr (2015) zwischen der B-GmbH und der D-KG als neuem OT eine ertragsteuerliche Organschaft bestand. Insbesondere vertrat das FA die Auffassung, dass die D-KG die Organbeteiligung unterjährig in 2015 erworben und deswegen zwischen ihr und der B-GmbH 2015 keine (durchgehende) finanzielle Eingliederung bestanden habe.
b) Kernaussagen der Hauptentscheidung
Unter Bestätigung der Auffassung der Vorinstanz erteilte der I. Senat des BFH der vom FA vertretenen Ansicht eine klare Absage und entschied, dass der D-KG für Zwecke der finanziellen Eingliederung i.S.d. § 14 KStG die Vorbesitzzeit der auf sie verschmolzenen A-GmbH gem. § 4 Abs. 2 S. 1 und 3 UmwStG zuzurechnen sei. Die Sache wurde jedoch an das FG zurückverwiesen, da das FG keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob die Organbeteiligung einer inländischen Betriebsstätte der D-KG zuzuordnen gewesen sei.
c) Konsequenzen für die Praxis
Für die Einbringung einer Organbeteiligung nach § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG 1995 hatte der BFH bereits im Jahr 2010 entschieden, dass die übernehmende Kapitalgesellschaft gem. § 22 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG 1995 umfassend und vorbehaltlos in die steuerliche Rechtsstellung des Einbringenden eintrete – und zwar auch im Hinblick auf die körperschaftsteuerlichen Eingliederungsvoraussetzungen.
Mit der Hauptentscheidung (I R 21/20) erstreckt der BFH diese sog. Fußstapfentheorie auf den Fall, dass eine OT-Kapitalgesellschaft unterjährig mit steuerlicher Rückwirkung auf eine Personengesellschaft verschmolzen wird. Rechtsgrundlage für die Anwendbarkeit der Fußstapfentheorie ist hier die unmittelbare Anwendung des § 4 Abs. 2 S. 1 und 3 UmwStG 2006. Zudem weist der BFH explizit darauf hin, dass der Anwendung der Fußstapfentheorie die unterjährige steuerliche Rückwirkung der Verschmelzung nicht entgegenstehe.
Mit der Hauptentscheidung bestätigt der BFH die ganz überwiegende Literaturauffassung zu dieser Problematik.
Die ertragsteuerliche Organschaft setzt neben der finanziellen Eingliederung voraus, dass die Organbeteiligung einer inländischen Betriebsstätte des OT zuzuordnen ist (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 KStG). Nach Ansicht des BFH gilt die Fußstapfentheorie auch für diese weitere Organschaftsvoraussetzung. Im Sachverhalt des BFH-Urteils wäre es insoweit ausreichend gewesen, wenn die Organbeteiligung im Streitjahr (2015) bis zum unterjährigen Verschmelzungsstichtag einer inländischen Betriebsstätte der verschmolzenen A-GmbH und danach einer inländischen Betriebsstätte der übernehmenden D-KG zuzuordnen war.
d) Auffassung der Finanzverwaltung
Abweichend zur BFH-Rechtsprechung macht die Finanzverwaltung die Anwendbarkeit der Fußstapfentheorie auf die finanzielle Eingliederung im derzeit noch geltenden UmwSt-E 2011 davon abhängig, dass dem aufnehmenden Rechtsträger die übergehende Organbeteiligung aufgrund der ertragsteuerlichen Rückwirkung ab dem Beginn des steuerlichen Wirtschaftsjahrs der OG zuzurechnen ist.
Im inzwischen veröffentlichen Entwurf des neuen Umwandlungssteuererlasses hält die Finanzverwaltung an dieser Sichtweise (vgl. jeweils die Org. 02 und 03 der Erlasse) weiterhin fest.
Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sie im neuen Umwandlungssteuererlass ihre bisherige Auffassung revidiert und die Besprechungsentscheidung für anwendbar erklärt.