Leitsatz
Die Fünfjahresfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 beginnt mit dem für die Steuervergünstigung in Frage stehenden Erwerbsvorgang und ist von diesem aus zurückzuberechnen. Auf diese Frist sind die Vorschriften der §§ 186 ff. BGB entsprechend anzuwenden.
Für die Frage, ob der Gesellschafter einen Anteil an der Gesamthand innerhalb dieser Frist erworben hat, ist auf die mit dem Erwerb der Gesellschafterstellung verbundene dingliche (gesamthänderische) Mitberechtigung am Grundstück abzustellen. Der Zeitpunkt eines ggf. vorangegangenen Erwerbs eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Einräumung einer Gesellschafterstellung ist nicht maßgeblich.
Normenkette
§ 6 Abs. 2 GrEStG , § 6 Abs. 4 GrEStG , §§ 186 ff. BGB
Sachverhalt
Durch Kauf- und Anteilsübertragungsvertrag vom 13.7.1992 verkauften und übertrugen die Gesellschafter einer grundbesitzenden KG ihre Gesellschaftsanteile zu 94 % an eine GmbH "mit Wirkung ab 1.10.1992". Durch Vertrag vom 26.9. 1997 erwarb die GmbH die restlichen Anteile "mit Wirkung zum 30.9.1997, 24 Uhr".
Das FA war der Auffassung, durch den Vertrag vom 26.9.1997 sei es zu einem Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983 bei der GmbH gekommen, der nach den Grundstückswerten gem. § 8 Abs. 2 GrEStG zu besteuern sei.
Dagegen wandte sich die GmbH mit dem Begehren, die Steuer gem. § 6 Abs. 2 GrEStG 1983 zu 94 % nicht zu erheben. § 6 Abs. 4 des Gesetzes greife nicht ein, weil sie ihre Beteiligung länger als fünf Jahre innegehabt hätte. Abzustellen sei dabei nämlich auf den Abschluss des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts (Kaufvertrags) vom 15.7. 1992.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FA. Die Begünstigung des § 6 Abs. 2 GrEStG 1983 greift nach Abs. 4 der Vorschrift nicht ein, weil die GmbH ihre 94%-Beteiligung innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerb der restlichen Anteile erworben hat. Nach dem Wortlaut des Abs. 4 Satz 1 ist von dem die Besteuerung auslösenden Erwerbsvorgang aus zurückzurechnen. Unter dem Erwerb der bereits gehaltenen Beteiligung, der nicht innerhalb von fünf Jahren stattgefunden haben darf, ist der dingliche Anteilserwerb – d.h. das Erlangen der Gesellschafterstellung – zu verstehen und nicht der Abschluss des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts.
Die Fristenregeln der § 186 ff. BGB sind auf zurückzuberechnende Fristen entsprechend anwendbar. Im Streitfall kann auf sich beruhen, ob auf den Beginn der zurückzuberechnenden Frist § 187 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB anzuwenden ist – ob also der Tag des 30.9.1997 mitzurechnen ist oder nicht –; beide Male ist die erforderliche Fünfjahresfrist nicht gewahrt, weil der Anteilserwerb noch innerhalb der fünf Jahre stattgefunden hat. Das ergibt sich aus § 188 Abs. 2 Alternative 2 BGB. Denn auch der frühestmögliche Zeitpunkt des 1.10.1992 fällt noch in diese Frist.
Hinweis
Die Regelung in § 6 Abs. 4 GrEStG 1983, wonach die Vergünstigungen der Abs. 1 bis 3 der Vorschrift insoweit ausgeschlossen sind, als ein Gesamthänder seinen Anteil an der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren erworben hat, bedeutet, dass er seinen Anteil länger als fünf Jahre innegehabt haben muss, wenn die Vergünstigungen gewährt werden sollen. Anders ausgedrückt muss er bereits länger als fünf Jahre Gesellschafter der Gesamthand sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.6.2001, II R 56/00