Grundlagen und Inhalt eines finanzgerichtlichen Urteils richten sich nach § 96 FGO. Darin ist festgelegt, dass das Finanzgericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden hat. Durch die Bezugnahme auf § 162 AO wird zudem klargestellt, dass dieses Verfahren auch eine eigenständige Schätzungsbefugnis für das FG beinhaltet. Diese ist in gleicher Weise ausgestaltet, wie die Schätzungsbefugnis des FA.
Beachten Sie: Das Verfahren gegen Schätzungsbescheide unterliegt nicht den einschränkenden Regelungen des § 102 FGO, da es sich hier nicht um eine Ermessensentscheidung handelt.
Damit kann das Finanzgericht den gesamten Bereich bespielen. Es kann folglich eine vom FA abweichende Meinung sowohl bei der Schätzungsbefugnis als auch bei Art und Umfang der Schätzung vertreten und im Urteil umsetzen. Die Grenze besteht hier nur hinsichtlich des Ausschlusses einer über den Klageantrag hinausgehenden Entscheidung; eine Verböserung ist somit ausgeschlossen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Rechtliches Gehör: Will das FG von der Schätzung des FA abweichen, so ist dies den Beteiligten vorab mitzuteilen. Diese Mitteilung ist erforderlich, um dem Steuerpflichtigen aber auch dem Finanzamt das rechtliche Gehör zu gewähren. Der richterliche Hinweis muss insb. dann ergehen, wenn das Gericht von der Schätzungsmethode abweichen will oder die Einführung neuer Tatsachen erforderlich ist (BFH v. 7.6.2022 – VIII B 51/21, BFH/NV 2022, 926 m.w.N).
Beachten Sie: Allerdings vertritt der BFH in einer älteren Entscheidung die Auffassung, dass dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs schon dann Genüge getan ist, wenn der Gesichtspunkt, auf den das Urteil im Wesentlichen gestützt wird, im Verfahren bisher überhaupt nicht angesprochen worden ist (BFH v. 12.8.1999 – XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537).
Das FG entscheidet grundsätzlich durch Urteil (§ 95 FGO), sofern sich die Beteiligten nicht auf eine bestimmte Regelung einigen (tatsächliche Verständigung) und das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklären (§ 138 FGO) oder der Steuerpflichtige die Klage zurücknimmt (§ 72 FGO).
Bei besonders schweren Schätzungsmängeln seitens des FA kommen die Aufhebung der Einspruchsentscheidung und die Verpflichtung der Behörde, weitere Sachverhaltsermittlungen durchzuführen, in Betracht. Das FG kann auf diese Möglichkeit zurückgreifen, wenn die bisherigen Ermittlungen der Behörde sehr oberflächlich sind und den Grund oder die Höhe der vorgenommenen Schätzung nicht erkennen lassen und damit eine sachgerechte Entscheidung des FG eigentlich unmöglich oder nur unter erheblichem eigenen Ermittlungsaufwand möglich ist.
Beachten Sie: Die Einschränkung des § 100 Abs. 3 Satz 2 FGO bezieht sich nur auf Schätzungsbescheide, die darauf beruhen, dass der Steuerpflichtige keine Steuererklärung abgegeben hat.