Leitsatz
Der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf darf alleine auf Antrag des Elternteils, bei dem die Kinder gemeldet sind, übertragen werden. Die Vorschrift verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Der Antrag auf Übertragung ist eine neue Tatsache oder ein rückwirkendes Ereignis.
Sachverhalt
Der Kläger ist seit dem 31. 3. 2002 geschieden. Bei der ESt-Veranlagung für das Jahr 2004 wurden entsprechend der Angaben in der Steuererklärung für zwei Kinder Freibeträge in Höhe von je 2.904 EUR gewährt. Ein Antrag auf Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf war dem FA nicht bekannt. Aufgrund einer Mitteilung des Wohnsitz-FA der Kindesmutter, wonach die Freibeträge auf diese übertragen worden seien, änderte das FA den ESt-Bescheid für das Jahr 2004 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und berücksichtigte nur noch Kinderfreibeträge in Höhe von je 1.824 EUR. Im Klageverfahren macht der Kläger geltend, dass weder die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO noch des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt seien und dass die zwangsweise Übertragung der Freibeträge auf den anderen Elternteil verfassungswidrig sei.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG war das Finanzamt zu einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtigt. Der Umstand, dass die Mutter der Kinder einen Antrag auf Übertragung der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 6, 2. Halbsatz EStG gestellt hat, ist eine Tatsache im Sinne dieser Vorschrift. Sie ist auch neu, weil Mitteilung des Wohnsitz-FA der Mutter erst nach Erlass des ESt-Bescheides 2004 bei dem FA einging. Selbst wenn der Antrag der Kindesmutter nach Erlass des Bescheides gestellt worden wäre, hätte eine Änderung des ESt-Bescheides 2004 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgen müssen. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung ist es auch ohne rechtliche Bedeutung, dass dem FA des Klägers bei der Veranlagung für das Streitjahr bereits die Mitteilung über die Übertragung der Freibeträge aus den Vorjahren vorgelegen hat. Unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 18. 5. 2006 (III R 71/04, BFHE 214, 120) hegt das FG auch keine verfassungsrechtlichen Zweifel an § 32 Abs. 6 Satz 6, 2. Halbsatz EStG, wonach die Übertragung alleine auf Antrag desjenigen Elternteils möglich ist, bei dem das Kind gemeldet ist.
Hinweis
Die wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassene Revision wurde inzwischen eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. III R 42/07 geführt. Betroffenen sollten daher in vergleichbaren Fällen Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verweisen. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich die Übertragung des Erziehungsfreibetrages nur dann lohnt, wenn das Einkommen der Mutter höher ist als das des Vaters. Nur dann führt der Erziehungsfreibetrag bei ihr zu einem größeren Steuervorteil als er es beim Vater tun würde. Bleibt es im Rahmen der Günstigerprüfung beim Kindergeld, geht der Steuervorteil aus dem halben Erziehungsfreibetrag des Vaters komplett verloren.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 09.05.2007, 1 K 1324/07