Sachverhalt
Bei dem niederländischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Anwendung des ermäßigten oder des Normalsteuersatzes auf Rundgänge aus einer Führung durch ein Fußballstadion und den Besuch des Stadionmuseums. Das Vorlagegericht wollte wissen, ob bei einer einheitlichen Leistung, die aus zwei oder mehreren konkreten und spezifischen Bestandteilen besteht, für die, sollten sie als getrennte Hauptleistungen erbracht werden, verschiedene Steuersätze gelten, die Besteuerung für dieses Leistungsbündel nach den für die Bestandteile geltenden unterschiedlichen Steuersätzen erfolgen soll, wenn die Gegenleistung für die Dienstleistung nach einem zutreffenden Verhältnis der Bestandteile aufgespalten werden kann.
Die Klägerin betreibt eine Fußballarena, bestehend aus einem Stadion mit den dazugehörigen Einrichtungen. In der Arena ist auch ein Museum untergebracht. Die Klägerin vermietet das Stadion an Dritte für Sportwettkämpfe und gelegentlich für den Auftritt von ausübenden Künstlern. Ferner bietet die Klägerin während der Zeiten, in denen im Stadion keine Sport- oder Musikveranstaltungen stattfinden, gegen Vergütung Führungen in der Arena an.
In den Streitjahren bestanden die Rundgänge aus einer Führung durch das Stadion und einem Besuch des Museums. Während der Führung besuchten die Teilnehmer in Begleitung eines Führers die Tribüne, das Fußballfeld, den Presseraum und den Regieraum. Dieser informierte über den Fußballklub, das Stadion und die Musikdarbietungen. Am Ende der Führung durch das Stadion konnten die Teilnehmer unbeschränkt und ohne Führer das Museum besuchen. Das Museum gibt einen Überblick über die Geschichte des Fußballklubs. In den Streitjahren war es nicht möglich, das Museum ohne Teilnahme an einem Rundgang zu besuchen.
Die Klägerin besteuerte die Rundgänge zum ermäßigten Steuersatz mit der Begründung, dass diese Dienstleistungen auf dem Gebiet der Kultur oder als Erholung und Vergnügen i. S. v. Position b.14 Buchst. c bzw. Buchst. g der Tabelle I zum NL-MwStG anzusehen seien. Für den Fall, dass die Rundgänge nicht als eine dieser Dienstleistungen betrachtet werden können, ist die Klägerin der Ansicht, dass die Rundgänge unter dem Gesichtspunkt der Steuerneutralität diesen gleichzustellen seien.
Die niederländische Finanzbehörde war der Auffassung, dass der Normalsteuersatz anzuwenden sei und setzte dementsprechend eine höhere MwSt fest.
Entscheidung
Der EuGH hat die Frage, ob zwei Bestandteile einer einheitlichen Leistung, der Haupt- und der Nebenbestandteil, (für sich genommen) unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen unterliegen würden, verneint. Gerade aus der Einstufung eines aus mehreren Bestandteilen bestehenden Umsatzes als einheitliche Leistung leitet sich ab, dass dieser Umsatz ein und demselben Mehrwertsteuersatz unterliegen muss (der EuGH verweist hier auf seine Urteile BGŻ Leasing und Baštová. Würde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, auf die einzelnen Bestandteile einer einheitlichen Leistung die verschiedenen für diese Bestandteile geltenden Mehrwertsteuersätze anzuwenden, führte dies zu einer künstlichen Aufspaltung der Leistung und könnte die Funktionalität des Mehrwertsteuersystems beeinträchtigen. Dies gilt nach dem vorliegenden Urteil auch für den Vorlagefall, dass es möglich ist, den Preis für jeden einzelnen Bestandteil einer einheitlichen Leistung zu bestimmen. Dass eine solche Bestimmung möglich ist oder dass die Vertragsparteien sich auf diese Preise einigen, kann eine Ausnahme von dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung nicht rechtfertigen.
Zu seinem Urteil CPP hat der EuGH klargestellt, dass diese Entscheidung nicht dahin verstanden werden kann, dass die Anwendung eines eigenen Mehrwertsteuersatzes auf einen spezifischen und konkreten Bestandteil einer einheitlichen Leistung möglich ist. Auch aus dem Urteil vom 8.5.2003 (Kommission/Frankreich) lässt sich, so der EuGH jetzt ausdrücklich, keine Schlussfolgerung zur Möglichkeit der Anwendung eines eigenen Mehrwertsteuersatzes auf separate Bestandteile einer einheitlichen Leistung ziehen. Gleiches gilt für die Urteile vom 6.7.2006 (Talacre Beach Caravan) und vom 6.5.2010 (Kommission/Frankreich).
Hinweis
Bereits nach der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zur Einheitlichkeit der Leistung war grds. davon auszugehen, dass bei einem einheitlichen Umsatz auch nur ein Steuersatz zur Anwendung kommt. Allerdings hatte der EuGH in seinem Urteil vom 6.7.2006 (Talacre Beach Caravan) mit Blick auf den Ausnahmecharakter von Art. 28 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie möglicherweise bereits die Aufteilbarkeit einer einheitlichen Lieferung nach Lieferelementen zum Nullsatz und solchen zum Normalsteuersatz bejaht. Auch in dem Urteil vom 6.5.2010 (Kommission/Frankreich) hatte der EuGH zum Begriff der Einheitlichkeit der Leistung ausgeführt, dass die Kriterien, die dabei zu beachten sind, wie etwa die Erwartung eines Durchschnittsverbrauchers, das Funktionieren des Mehrwertsteuersystems angesichts der Vi...