Leitsatz
1. Das Unternehmen i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UStG 1993 wird durch die "wirtschaftliche Tätigkeit" des Unternehmens i.S.d. Art. 4 der 6. EG-RL geprägt. Die dort genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten können mehrere aufeinander folgende Handlungen umfassen. Eine derartige Tätigkeit kann auch beim Umbau eines Gebäudes in ein Hotelgrundstück vorliegen, wenn der Eigentümer beabsichtigt, es an einen Hotelier zu verpachten und dieser das Grundstück zunächst nutzen darf, ohne eine Pacht zu zahlen. Entscheidend ist, dass der Unternehmer die Aufwendungen für das Grundstück in der ernsthaften Absicht tätigt, das Grundstück unternehmerisch zu nutzen.
2. Im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen ist eine unternehmerische Tätigkeit nicht bereits dann zu verneinen, wenn über Leistung und Gegenleistung zwar Vereinbarungen vorliegen, diese aber nicht vertragsgemäß vollzogen werden, oder wenn die Vereinbarungen nicht dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist.
3. Der Steuerpflichtige kann sich wegen der Unvereinbarkeit der Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1993 mit Art. 6 Abs. 2 und Art. 17 der 6. EG-RL unmittelbar auf das ihm günstigere Gemeinschaftsrecht berufen.
Normenkette
§ 1 UStG , § 2 UStG , § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG , § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG , Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-RL , Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL , Art. 17 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger, ein Architekt, baute eine seiner Immobilien zu einem Hotel um; dieses verpachtete er ab 1.11.1995 an seine Ehefrau. Vereinbart war eine Umsatzpacht von 10 % zuzüglich Umsatzsteuer. Bis zum 1.1.1999 war nach dem Pachtvertrag "das Pachtobjekt unentgeltlich an den Verpächter verpachtet. Sollte in dieser Zeit ein Gewinn erwirtschaftet werden, ist dieser rückwirkend als Pacht zu entrichten."
Das FA ließ die Vorsteuerbeträge aus den Umbaukosten nicht zum Abzug zu. Auch das FG (EFG 2003, 966) schloss sich der Auffassung des FA an, dass die Nutzungsüberlassung zunächst nicht auf die Erzielung von (Pacht-)Einnahmen gerichtet gewesen sei, sondern der Kläger zunächst eine nichtunternehmerische Nutzungsüberlassung des Hotels beabsichtigt habe.
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg; denn allein die Tatsache, dass der Kläger zunächst auf eine Pachtzahlung seiner Ehefrau verzichtet hatte, rechtfertigt nicht die Annahme, er habe die Bauleistungen nicht für sein Unternehmen bezogen. Eine Zurückverweisung war jedoch erforderlich, weil das FG bisher die Höhe der geltenden Vorsteuerbeträge nicht geprüft hatte. Außerdem fehlten Feststellungen zur Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 UStG).
Hinweis
Dass der entschiedene Sachverhalt ein "Fall" wurde, lag an der unglücklichen Formulierung des Pachtvertrags (Stichwort: "unentgeltlich") und dem Umstand, dass die Ehefrau des Verpächters das Hotel pachtete und betrieb. Beides zusammen, Ehefrau und "unentgeltlich" lässt Warnlampen aufleuchten.
1. Zuerst zum Stichwort "unentgeltliche" Leistung:
Der Vorsteuerabzug setzt (nur) voraus, dass ein Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen bezogen hat (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Das Unternehmen wird durch die "wirtschaftliche Tätigkeit" (Art. 4 der 6. EG-RL) bzw. "nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen..." (§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG) geprägt. Aufwendungen für Errichtung oder Umbau eines Gebäudes in Vermietungsabsicht sind als wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-RL anzusehen; dies selbst dann, wenn der Mieter das Grundstück zunächst mietfrei nutzen darf oder gar für den Abschluss des Mietvertrags vom Vermieter eine Geldzahlung erhält (vgl. EuGH, Urteil vom 9.10.2001, Rs. C409/98 – Mirror Group –, Slg. 2001, I7175, UR 2001, 491; BFH-PR 2002, 25). Die "unentgeltliche" oder verbilligte Überlassung von Räumen zu unternehmerischen Zwecken ist nicht ungewöhnlich; man denke z.B. an die Symbiosen von Apotheker-Eigentümer und Mediziner-Mieter.
Entscheidend ist, dass der Unternehmer die Aufwendungen für das Grundstück in der ernsthaften Absicht tätigt, das Grundstück unternehmerisch zu nutzen. Dass Zweifel an der ernsthaften Absicht der unternehmerischen Nutzung aufkamen, erscheint bei der Verpachtung eines für eine nichtunternehmerische Nutzung ungeeigneten Hotelgebäudes selbst dann verwunderlich, wenn der Pächter in der Anlaufphase die vereinbarte Pacht nur zahlen muss, soweit er Gewinn erzielt. Unabhängig davon, ob man – wie der BFH im Urteil vom 22.6.1989, V R 37/84, BStBl II 1989, 913 – wegen der Absicht, Entgelt zu erzielen, auch die Nutzungsüberlassung in der Anfangsphase, für die noch kein Entgelt zu zahlen war, schon als Leistung gegen Entgelt beurteilt, oder ob man insoweit eine unentgeltliche Leistung für unternehmerische Zwecke annimmt: In beiden Fällen handelt es sich um Leistungen, die auf das Unternehmen bezogen sind.
2. Zum Reizwort Ehefrau:
Das Wesentliche enthält der Leitsatz. Einer Vereinbarung, dass der Verpächter in der Anlaufphase eines Unternehmens, soweit noch kein Gewinn erwirtschaftet wird, auf ein Pac...