Leitsatz
Teilt das HZA im AdV-Verfahren mit, von der Vollstreckung des "angefochtenen Verwaltungsakts" bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens absehen zu wollen, unterbricht dies die Zahlungsverjährung im Allgemeinen auch insoweit, als ein Teilbetrag der festgesetzten Abgabe von vornherein außer Streit war.
Normenkette
§ 231, § 228 AO, Art. 18 VO (EWG) Nr. 404/93
Sachverhalt
Im August 1995 waren Bananen aus Ecuador eingeführt und die dafür zu entrichtenden Einfuhrabgaben vom Importeur unter Zugrundelegung eines Zollsatzes von 75 ECU/t berechnet worden, der nach Maßgabe der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 (ABlEG Nr. L 47/1, damals anzuwenden i.d.F. der Änderungsverordnungen [EG] Nr. 3518/93, ABlEG Nr. L 320/15, und Nr. 3290/94, ABlEG Nr. L 349/105) im Rahmen eines Einfuhrkontingents bei Erteilung einer Einfuhrlizenz anzuwenden war. Der Importeur besaß eine solche Lizenz jedoch nicht. Das HZA hat deshalb die Einfuhrabgaben nach dem Drittlandszollsatz von 822 ECU/t festgesetzt.
Der Importeur hält dies für eine (unzulässige) Nacherhebung i.S.d. Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK. Denn das HZA habe die Sammelzollanmeldungen, die den Hinweis auf die nach Maßgabe des Kontingentszollsatzes geschuldeten Einfuhrabgaben enthalten hätten, zunächst angenommen und dadurch eine buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben vorgenommen. Die Nacherhebung der Differenz zwischen dem Kontingentszoll und dem Regelzoll sei aber auch deshalb unzulässig, weil die Zwei-Tages-Frist des Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK nicht eingehalten worden sei. Zudem sei die Nacherhebung nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK unzulässig. Das HZA sei bei der zunächst erfolgten Anwendung des Kontingentszollsatzes einem Irrtum nicht nur unterlegen, sondern habe ihn aktiv begangen; es habe von dem Fehlen der Einfuhrlizenzen und der daraus gesetzlich folgenden Anwendung des Drittlandszollsatzes gewusst. Die vom FG erlassenen einstweiligen Anordnungen hätten das HZA nicht gehindert, die Einfuhrabgaben nach Maßgabe des Drittlandszollsatzes von Anfang an buchmäßig zu erfassen; denn sie hätten ihm nur untersagt, Drittlandszölle zu erheben.
Vor allem aber sei der von Anfang an nicht streitige, nach Maßgabe des Kontingentszollsatzes berechnete Teilbetrag der in dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Abgabeschuld zahlungsverjährt. Die Fünf-Jahres-Frist seit Erlass jenes Bescheids sei verstrichen, ohne dass das HZA verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen habe. Dass das HZA in einem im AdV-Verfahren an das FG gerichteten Schriftsatz vom April 1998 erklärt habe, von der Vollstreckung des "angefochtenen Bescheids" bis zum Verfahrensabschluss absehen zu wollen, habe die Zahlungsverjährung nicht unterbrochen. Denn im Hinblick auf vorgenannten Teilbetrag habe die Klägerin diesen Bescheid gerade nicht angefochten.
Entscheidung
Der BFH hat das klageabweisende Urteil des FG bestätigt (FG Hamburg, Urteil vom 30.01.2008, 4 K 225/07, Haufe-Index 1971475). Die Vorschriften der sog. Bananenmarktordnung sind – auch in Deutschland – gültig (vgl. dazu näher das Urteil VII R 8/08, BFH/NV 2010, 1381, BFH/PR 2010, 348). Der BFH lässt offen, ob es sich deshalb um eine Nacherhebung handelt, weil das HZA die vom Importeur zum Lizenzzollsatz abgegebenen Anmeldungen angenommen hat; denn die Nacherhebung wäre jedenfalls zulässig.
Zahlungsverjährung ist nicht eingetreten. Der Schriftsatz des HZA im AdV-Verfahren hat den Fristenlauf unterbrochen. Der Schriftsatz musste dahin verstanden werden, dass das HZA die Vollstreckung des gesamten, durch seinen Bescheid festgesetzten Abgabenbetrags nicht endgültig aufgeben wolle. Dass mit dem "angefochtenen Bescheid" der Steuerbescheid nur insoweit gemeint sei, wie gegen diesen damals rechtliche Einwendungen erhoben worden waren, hat der BFH schon deshalb nicht gelten lassen können, weil in der betreffenden Klageschrift der Bescheid – uneingeschränkt – angefochten worden war.
Hinweis
Verjährungsunterbrechende Wirkung misst § 231 Abs. 1 S. 1 AO u.a. bestimmten Willenserklärungen der Finanzbehörde bei, aus denen sich deren Absicht klar ergibt, die Steuerforderung durchzusetzen. Dazu gehört die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs, aber auch die Gewährung von Vollstreckungsaufschub, wofür eine einseitige Erklärung des HZA genügen kann, von Maßnahmen zur Durchsetzung seines Anspruchs einstweilen absehen zu wollen (BFH, Beschluss vom 10.11.2003, VII B 342/02, BFH/NV 2004, 315). Die Maßnahme muss nur "nach außen wirken", nicht rein innerdienstlich ergehen.
Außenwirkung hat zweifellos auch ein Schriftsatz, der (ggf. auch) den Zahlungspflichtigen darüber unterrichten soll, ob die Behörde an ihrer Forderung festhalten will und wie sie das weitere diesbezügliche Verwaltungsverfahren führen will. Das gilt selbstredend auch dann, wenn eine solche Mitteilung dem Zahlungspflichtigen nicht unmittelbar, sondern durch Vermittlung des Gerichts übersandt wird und an dieses adressiert ist.
Beachten Sie im Übrigen, dass Gegenstand eines Rechtsbehelfsv...