Leitsatz
Nutzt ein Ehegatte einen Kellerraum des im Miteigentum der Eheleute stehenden Einfamilienhauses als Lagerraum für seine Arztpraxis, so erhöhen die anteilig auf diesen Raum entfallenden stillen Reserven bei Veräußerung der Praxis nur zur Hälfte den Veräußerungsgewinn, und zwar auch dann, wenn der nutzende Ehegatte alle Kosten für diesen Raum als Betriebsausgaben abgezogen hatte.
Normenkette
§ 16 Abs. 1 und 3, § 18 Abs. 3 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 und 2 AO
Sachverhalt
Die Kläger und Revisionsbeklagten werden als Eheleute zusammen zur ESt veranlagt. Die Klägerin ist Hausfrau. Der Kläger war bis zum Ende des Streitjahrs 1998 in gemieteten Räumen als Facharzt für Urologie tätig.
Im Jahr 1983 hatten die Kläger mit Darlehensmitteln ein Einfamilienhaus als Miteigentümer je zur Hälfte erworben, welches sie selbst bewohnen. Darlehensnehmer waren beide Eheleute. Seit 1987 nutzte der Kläger einen Kellerraum des Hauses als Lagerraum für seine Praxis. Die anteiligen Hauskosten und die Absetzungen für Abnutzung zog er als Betriebsausgaben ab. Zum Ende des Streitjahrs veräußerte der Kläger seine Praxis. Er erklärte einen Veräußerungsgewinn von 375 572 DM.
Das FA, Beklagter und Revisionskläger, erhöhte den Aufgabegewinn um den Entnahmewert des Lagerraums von 23 000 DM, da sowohl der anteilige Miteigentumsanteil des Klägers als auch derjenige der Klägerin notwendiges Betriebsvermögen darstellten.
Entscheidung
Der BFH bestätigte im Ergebnis das der Klage stattgebende Urteil des FG Düsseldorf vom 30.06.2004, 7 K 1882/02 E (Haufe-Index 1240257, EFG 2004, 1686) und korrigierte indes die Höhe des Veräußerungsgewinns. Zu Recht habe das FG erkannt, dass der auf die Klägerin entfallende ideelle Anteil an dem betrieblich genutzten Kellerraum nicht zum Betriebsvermögen des Klägers gehört habe und sich auch nicht durch die Aufgabe des entsprechenden Nutzungsrechts der Veräußerungsgewinn des Klägers erhöht habe.
Allerdings habe das FG bei der Herabsetzung der ESt die vom FA für den betrieblich genutzten Kellerraum in unzutreffender Höhe angesetzten stillen Reserven ungeprüft seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Der Anteil des Klägers an dem betrieblich genutzten Kellerraum nebst anteiligem Grund und Boden habe zu dessen Betriebsvermögen gehört. Die darauf entfallenden stillen Reserven erhöhten folglich seinen Veräußerungsgewinn.
Der bürgerlich-rechtlich auf die Klägerin entfallende Anteil an dem betrieblich genutzten Kellerraum sei ihm mangels eines den Herausgabeanspruch der Klägerin entwertenden Entschädigungsanspruchs gegen diese auch nicht als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen. Die betriebliche Nutzung dieses Anteils am Kellerraum falle mit ihrer Beendigung steuerneutral weg.
Hinweis
1. Die in einem privaten Einfamilienhaus von einem Unternehmer-Ehegatten betrieblich genutzten Räume sind mit dem darauf entfallenden Anteil am Grund und Boden den Ehegatten steuerrechtlich jeweils als gesonderte Wirtschaftsgüter entsprechend ihren Eigentumsanteilen je hälftig zuzurechnen (§ 7 Abs. 5a EStG; BFH, Beschluss vom 26.11.1973, GrS 5/71, Haufe-Index 70639, ständige Rechtsprechung).
2. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH ist allerdings die Nutzungsbefugnis eines Steuerpflichtigen, der über seinen Miteigentumsanteil hinaus Kosten für von ihm betrieblich oder beruflich genutzte Räume trägt, "wie ein materielles Wirtschaftsgut" anzusehen (BFH, Beschluss vom 30.01.1995, GrS 4/92, Haufe-Index 65629).
3. Das Nutzungsrecht bezüglich des gesamten Raums stellt indes weder ein selbstständiges Wirtschaftsgut noch Vermögensgegenstand dar (BFH, Beschluss vom 26.10.1987, GrS 2/86, Haufe-Index 61521). Vielmehr nutzt der Unternehmer-Ehegatte den Raum insgesamt in Ausübung seines Rechts als Miteigentümer (BFH, Beschluss vom 23.08.1999, GrS 5/97, BFH/NV 2000, 139).
4. Selbst eine entgeltliche Nutzungsüberlassung i.S.v. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG vollzieht sich nur auf der Nutzungs- und nicht auf der Vermögensebene. Somit fällt die betriebliche Nutzung mit ihrer Beendigung steuerneutral weg.
5. Entsprechend dem Nettoprinzip wird dem nutzenden Miteigentümer jedoch für den von ihm getragenen Anteil an den Anschaffungskosten, die bürgerlich-rechtlich auf den anderen Miteigentümer entfallen, der Abzug von AfA zugestanden.
6. Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, dass aus der Behandlung des eigenen Aufwands "rechtstechnisch wie ein materielles Wirtschaftsgut" und der Einräumung erhöhter AfA, Sonder-AfA sowie der Übertragung von § 6b-Rücklagen, wodurch in erheblichem Umfang stille Reserven entstehen, diese stillen Reserven dann auch im Betriebsvermögen steuerverhaftet bleiben müssten und im Fall einer Entnahme oder Veräußerung dementsprechend in voller Höhe anzusetzen seien, so Kulosa in Schmidt, 27. Aufl., § 7 EStG Rz. 55, m.w.N., auch zur Gegenauffassung, und unter Aufgabe der bis zur 25. Auflage von Drenseck vertretenen gegenteiligen Auffassung.
7. Der VIII. Senat des BFH vertritt demgegenüber mit der herrschenden Meinung im Schrifttum...