Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG ist als fiktive Anschaffungskosten der Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG im Zeitpunkt der durch Abwahl der Nutzungswertbesteuerung ausgelösten Entnahme nach § 13 Abs. 4 EStG zu Grunde zu legen und nicht der Buchwert.
Sachverhalt
Streitig war die Höhe eines Gewinns nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aus der Veräußerung einer Altenteilerwohnung, die zuvor steuerfrei (durch Abwahl der über den 31.12.1998 hinaus fortgesetzten Nutzungswertbesteuerung gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG) ins Privatvermögen überführt worden war (§ 13 Abs. 4 EStG). Im Ergebnis ging es um die Frage, wie der Veräußerungsgewinn des innerhalb von zehn Jahren nach der Entnahme veräußerten Hausgartens zu ermitteln war.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass bei Veräußerung eines Grundstücks, welches vorher aus einem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt worden ist, an die Stelle der Anschaffungskosten der Wert tritt, mit dem das Grundstück bei der Überführung angesetzt worden ist. Eine Ausnahme gelte allerdings, wenn bei der Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen der Entnahmegewinn kraft gesetzlicher Regelung bei der Besteuerung außer Ansatz geblieben ist, wie dies im Streitfall der Fall war. Dann tritt nach dem BMF, Schreiben v. 5.10.2000, IV C 3-S 2256-263/00, BStBl 2000 I S.1383, an die Stelle der Anschaffungskosten der Buchwert des Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Entnahme.
Entscheidung
Dies sieht das FG anders und entschied, dass dem Ansatz des Buchwertes anstelle des Teilwerts im Zeitpunkt der Entnahme als (fiktive) Anschaffungskosten bereits der eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegensteht. Denn § 23 Abs. 3 Satz 3, Abs. 1 Satz 2 EStG verweist ausdrücklich auf die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG, welcher den Teilwert als Entnahmewert bestimmt. Dieser Verweis ist nach Auffassung des FG auch folgerichtig und konsequent, denn mit der Abwahl der Nutzungswertbesteuerung gemäß § 13 Abs. 4 Satz 4 EStG gilt die Wohnung als entnommen. Diese kraft gesetzlicher Regelung erfolgte Entnahme stellt auch keine Buchwert-Entnahme dar. Denn aus der Formulierung folgt, dass zwar grundsätzlich ein Entnahmegewinn nach den allgemeinen Vorschriften zu ermitteln ist, dieser allerdings nicht in die Gewinnermittlung einbezogen oder zumindest nicht der Besteuerung unterworfen wird. Damit hat der Gesetzgeber keiner Buchwert-Entnahme zugesprochen, sondern lediglich den ermittelten Entnahmegewinn von der Besteuerung freigestellt.
Hinweis
Neben dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes spricht nach Auffassung des FG auch die Systematik des Einkommensteuerrechts gegen den Ansatz des Buchwertes für die zuvor gemäß § 13 Abs. 4 EStG steuerfrei aus dem Betriebsvermögen entnommenen Wirtschaftsgüter im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 3 Satz 3, Abs. 1 Satz 2 EStG. Denn mit der Entnahme endet dabei auch die Zugehörigkeit des entnommenen Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen; es wird Teil des Privatvermögens des Steuerpflichtigen.
Da gegen die Entscheidung Revision eingelegt wurde (Rev. eingelegt, Az beim BFH IX R 12/19), sollten betroffene Steuerpflichtige entsprechende Steuerbescheide im Einspruchswege offen halten und unter Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahren Verfahrensruhe (§ 363 Abs. 2 AO) geltend machen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.02.2019, 9 K 139/16