Leitsatz
1. Der verbilligte Erwerb einer GmbH-Beteiligung durch einen leitenden Arbeitnehmer des Arbeitgebers kann auch dann zu Arbeitslohn führen, wenn nicht der Arbeitgeber selbst, sondern ein Gesellschafter des Arbeitgebers die Beteiligung veräußert.
2. Veräußert der Arbeitgeber oder eine diesem nahestehende Person eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft an einen Arbeitnehmer und umgekehrt, handelt es sich in der Regel nicht um eine Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, da ein Einfluss des Arbeitsverhältnisses auf die Verkaufsmodalitäten jedenfalls nahe liegt. Eine Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen kommt in diesem Fall regelmäßig nicht in Betracht.
3. Ist der gemeine Wert einer Beteiligung unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen, ohne dass das Stuttgarter Verfahren in Betracht kommt, hat das Finanzgericht regelmäßig ein Sachverständigengutachten zur Wertermittlung einzuholen, wenn der Steuerpflichtige die Anteilsbewertung durch das Finanzamt substanziiert bestreitet und es nicht ausnahmsweise selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt.
Normenkette
§ 19a Abs. 3 Nr. 8 i.V.m. Abs. 3a Satz 3, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 EStG, § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2, § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG
Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr als Prokurist bei der X-GmbH beschäftigt. Neben seinem Gehalt sollte er an der Gesellschaft beteiligt werden. Mit Wirkung zum 30.4.2000 erwarb er eine Beteiligung an der X-GmbH. Im Jahr zuvor kam es, wie in den Folgejahren, immer wieder zu Veräußerungen von Beteiligungen an der X-GmbH an Geschäftsführer und leitende Mitarbeiter sowie zur Weiterveräußerung der von diesen erworbenen Beteiligungen an der X-GmbH an andere Geschäftsführer oder leitende Mitarbeiter der X-GmbH bzw. an von diesen beherrschte Gesellschaften zu erheblich unterschiedlichen Preisen.
Der Kläger wurde für das Streitjahr (2000) zunächst erklärungsgemäß veranlagt. Im Jahr 2005 setzte das FA die Einkommensteuer aufgrund einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der X-GmbH herauf. Der vom Kläger gezahlte Kaufpreis für die Beteiligung an der X-GmbH sei niedriger als der tatsächliche Wert der Beteiligung gewesen. Die Differenz sei als Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu versteuern. Der dagegen von den Klägern u.a. unter Be-rufung auf ein von der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W-AG erstelltes ertragswertorientiertes Wertgutachten eingelegte Einspruch hatte zum Teil Erfolg. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Einkommensteuer auf Grundlage einer von dem FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Z erstellten fachprüferlichen Stellungnahme zur Ermittlung des Unternehmenswerts der X-GmbH herab. Das FG wies die im Anschluss erhobene Klage ab (FG Münster, Urteil vom 14.8.2015, 14 K 3290/13 E, Haufe-Index 9395742, EFG 2016, 1083).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hob der BFH das angefochtene Urteil aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
1. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass der Beteiligungserwerb des Klägers dem Grunde nach durch das Dienstverhältnis veranlasst war und deshalb der in der Verbilligung, dem Preisnachlass, bestehende geldwerte Vorteil als Arbeitslohn zu erfassende ist.
2. Die Bewertung dieses geldwerten Vorteils durch die Vorinstanz ist allerdings nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Die vom Kläger erworbene Beteiligung an der X-GmbH, der Arbeitgeberin des Klägers, ist eine Vermögensbeteiligung i.S.v. § 19a Abs. 3 Nr. 8 i.V.m. Abs. 3a Satz 3 EStG. Als Wert einer solchen Vermögensbeteiligung ist der gemeine Wert (§ 19a Abs. 8 Satz 1 EStG) und damit der Wert anzusetzen, der vor dem Tag der Überlassung, d.h. des Zuflusses der Vermögensbeteiligung, zuletzt nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG festzustellen ist oder war (§ 19a Abs. 8 Satz 8 EStG).
b) § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG sieht vor, dass der gemeine Wert einer Beteiligung i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG, u.a. einer GmbH-Beteiligung, in erster Linie aus Verkäufen abzuleiten ist. Ist dies nicht möglich, so ist er gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen. Die Ermittlung des gemeinen Werts aufgrund von Verkäufen hat Vorrang vor der Schätzung.
c) Die Wertableitung aus Verkäufen setzt nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG allerdings voraus, dass Verkäufe vorliegen, die weniger als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag erfolgt sind. Dies ist im Streitfall der 29.4.2000, da die Übertragung des Geschäftsanteils zum 30.4.2000 erfolgte.
aa) Maßgebend ist der Verkaufspreis, der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) erzielt wurde Das ist der Handel, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lag...