Gemäß § 10 AO ist Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Dieser ist wiederum dort, wo sich nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, abhängig von Struktur und Eigenart des Unternehmens, in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht die wichtigste Stelle befindet, an der dauernd die für die laufende Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden (Gersch in Klein, AO, 17. Aufl. 2023, § 10 Rz. 2 m.w.N.). Es handelt sich mithin um die Geschäftsführung im engeren Sinn.
Regelmäßig ist das der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten, d.h. an dem sie die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sog. Tagesgeschäft), sowie organisatorische Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören, vornehmen. Der Begriff der "Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt", findet sich auch in §§ 116, 164 HGB. Es handelt sich um diejenigen Geschäfte, die in die alleinige Zuständigkeit des Geschäftsführers fallen und keines Gesellschafterbeschlusses bedürfen. Zu ihnen gehören beispielsweise nicht die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Gesellschafter an ungewöhnliche Maßnahmen bzw. an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung und Tragweite (BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; AEAO zu § 10, Ziff. 3; Wilke/Weber, Lehrbuch internationales Steuerrecht, 16. Aufl. 2022, Rz. 41; Billerbeck, DStR 2024, 184).
Beraterhinweis Bei einer Körperschaft ist der Ort der Geschäftsleitung regelmäßig dort, wo die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten. Letztendlich sind bei der Beurteilung stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls wie Art, Umfang, Struktur und Eigenart des Unternehmens individuell zu berücksichtigen (BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; AEAO zu § 10, Ziff. 5).
Fehlt es an einer geschäftlichen Oberleitung, bzw. führen die Ermittlungsmaßnahmen des FA dazu, dass an dem vom Steuerpflichtigen erklärten Ort der Geschäftsleitung ein solcher zu verneinen ist und lässt sich ein anderer Ort der Geschäftsleitung – z.B. mangels Mitwirkung des Steuerpflichtigen – nicht mit hinreichender Sicherheit ermitteln, muss für die steuerliche Anknüpfung auf § 11 AO (Sitz) zurückgegriffen werden. Als Ort der Geschäftsleitung ist dann im Zweifel der Wohnsitz des Geschäftsführers bzw. der Sitz/Wohnsitz der Gesellschafter zugrunde zu legen (AEAO zu § 10, Ziff. 8).